Lauschangriff - Im Visier der Feinde
al-Turabi. »Ich weiß von einigen in England – die King David’s High School in Liverpool gehört meines Wissens dazu.«
»Ich hatte einen Studienkollegen in London, der auf einer jüdischen Schule war, deren Name fällt mir aber nicht mehr ein«, fügte Kaiser hinzu.
Shakir Khan mischte sich in die Unterhaltung ein. »Es gibt in den USA mehr jüdische Schulen und Universitäten als in ganz Israel. Eine der berühmtesten ist die Yeshiva University in New York. Doch die New Yorker Polizei und die Sicherheitskräfte haben den Finger schnell am Abzug seit unserem Tag des Ruhms. Nein, meine Herren, wir brauchen ein großes, ruhiges College in der amerikanischen Provinz. Kaiser wird eine kurze Liste zusammenstellen. Die Ostküste wäre vorzuziehen, dort sind wir besser organisiert, aber auch der Mittlere Westen käme infrage, nur nicht Chicago mit seiner rigoros durchgreifenden Polizei.
So, wir werden nach dem Abendgebet noch ein gemeinsames Essen zu uns nehmen, und dann werdet ihr euch alle auf den Weg machen. Denn ich habe das Gefühl, dass es hier bald vor US-Agenten und Spionen nur so wimmeln wird, und denen wird es nicht gefallen, welches Schicksal ihren Leuten widerfahren ist. Lob sei Allah, denn er ist groß.«
Um 22 Uhr hielt Shakir Khans Dienst-Mercedes in der dunklen Seitengasse. Die Tür zum Innenhof wurde leise geöffnet, und die vier ehemaligen Gefangenen schlüpften hindurch und ließen sich in dem schwarzen Wagen mit dem Kennzeichen der Nordwestlichen Grenzprovinz nieder.
Der Chauffeur schloss die beiden Fondtüren, nachdem Abu Hassan auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, und verließ die Stadt in nördliche Richtung zur Grand Trunk Road, einer tagsüber stets hoffnungslos verstopften Straße, auf der man nachts aber gut vorankam. Der Chauffeur hielt sein hohes Tempo bei und wurde nur auf den Pässen langsamer. Es war fast ein Uhr morgens, als sie die Ufer der rauschenden Flüsse Utrot und Ushu erreichten, die sich in Kalam zum mächtigen Swat-Fluss vereinten.
Vier Stammeskrieger, allesamt El-Kaida-Angehörige, begrüßten sie. Sie hatten für die vier Männer Stammeskleidung mitgebracht, dazu drei mit Nahrungsmitteln, Waffen, Kissen und großen Decken beladene Mauleselkarren. Ibrahim, Yousaf, Ben und Abu, die großen Helden, wurden herzlich willkommen geheißen.
Die Nacht allerdings war schon weit fortgeschritten, und noch stand ein kilometerlanger Marsch bevor, den sie im Schutz der Dunkelheit hinter sich bringen wollten. Die sechs Maultiere setzten sich in Bewegung, hier in diesen kaum kartografierten Regionen des oberen Swat-Tals, das fest in der Hand von Bin Ladens Dschihadisten war.
Vor ihrem geistigen Auge stand die dreitägige Besetzung der Schule in Beslan. Dieses Bild, von Shakir Khan heraufbeschworen, wurde in ihrer Fantasie noch erhabener und lebendiger, wenn sie nur an die sterbenden Ungläubigen dachten. Das waren die Visionen, die sie sich vom kommenden Tag des Ruhms machten.
Die vier Terroristen fühlten sich jetzt in Sicherheit, marschierten langsam die Berge hinauf, waren fast schon in Sichtweite ihres eigenen Gelobten Landes und spürten die Herrlichkeit dieses Ortes, an dem Krieger ausgebildet wurden, wo der Traum einer muslimisch beherrschten Welt verfolgt wurde und wo dieser Traum niemals sterben würde.
Jeder von ihnen wusste, dass das Ausbildungslager ein integraler Bestandteil des El-Kaida-Netzwerks war. Sämtliche Beteiligten an den Anschlägen des 11. Septembers sowie alle, die den Angriff auf die USS Cole geplant und ausgeführt hatten, hatten afghanische oder pakistanische Ausbildungslager durchlaufen. Und nach jedem erfolgreichen Angriff schnellten die Rekrutierungszahlen in die Höhe.
Die Ausbildung deckte verschiedene Bereiche ab. Die meisten Rekruten erhielten eine konventionelle Grundausbildung, El Kaida brauchte gewöhnliche Fußsoldaten, dazu Leute, die mit schwerem Gerät umzugehen verstanden und die Sprengsätze in Botschaften legen oder Flugzeuge entführen konnten. In den Genuss eines spezifischen Terroristen-Lehrgangs kamen nur dievon Bin Ladens Nachfolgern persönlich ausgewählten Top-Rekruten.
Im Allgemeinen wollte man Rekruten dazu anregen, selbst einfallsreiche Methoden des Massenmordes auszuhecken. Der ideologische Schwerpunkt des Lehrplans lag darauf, Israel und die Vereinigten Staaten als die Mächte des Bösen zu verdammen. Der Märtyrertod galt als die höchste Ehre, und viele Rekruten meldeten sich freiwillig zu
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