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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sah.
    »Ich musste den Befehlen gehorchen. Es muss Engel der Zerstörung geben. Ich war dazu ausersehen, und ich nahm meine Aufgabe an. Die Kinder waren frei von Sünde. Sie waren noch zu jung, um zu sündigen. Ich verhalf ihnen zu ewigem Ruhm, wie es mir auferlegt war. Unschuldig. Frei von allem Bösen. Sie sehen, welche Ehre es für mich war, auserwählt zu sein. Ich habe Kinder immer geliebt. Ich hatte selbst kein Kind. Das war sehr grausam, aber es war die Buße für meine Tat. Vielleicht wissen Sie, was ich getan habe.«
    »Nein.«
    »Oh, Sie scheinen so viel zu wissen. Ich dachte, Sie wüssten auch dies. Es gab da einen Arzt. Ich bin zu ihm gegangen. Ich war erst siebzehn und hatte große Angst. Er sagte, er könnte mir das Kind nehmen, und niemand würde je davon erfahren. Aber das war ein großer Fehler. In meinen Träumen fragte das Kind mich, warum es nie hatte leben dürfen. Das Kind sagte mir, es wolle Spielgefährten. Es war ein Mädchen. Es wollte nicht allein sein. Und da erhielt ich den Befehl. Ich hatte geheiratet und gedacht, ich würde Kinder haben; und mein Mann wünschte sie sich so sehr. Aber wir bekamen keine Kinder, weil ich verdammt war. Verstehen Sie? Doch es gab einen Weg der Buße. Eine Buße für meine Tat. Ich hatte einen Mord begangen; und für Mord kann man nur mit Mord büßen. Aber diese anderen Morde waren keine Morde, sondern Opfer. Opfergaben. Sehen Sie den Unterschied? Diese Kinder gingen, um meinem Kind Gesellschaft zu leisten. Sie waren alle noch jung. Der Befehl kam – und dann…« Sie neigte sich vor und berührte Tuppence. »Es waren glückliche Augenblicke. Es war herrlich, sie zu befreien, so dass sie niemals die Sünde kennen lernten, wie ich sie kennen gelernt hatte. Natürlich durfte ich das niemandem sagen. Niemand durfte es wissen. Ich musste vorsichtig sein. Aber es kam vor, dass jemand Verdacht schöpfte. Dann natürlich gab es nur einen Ausweg – den Tod… damit ich in Sicherheit war. Sie verstehen doch?«
    »Nein… nicht ganz.«
    »Aber Sie wissen es. Darum sind Sie doch gekommen, oder nicht? Sie wussten es an dem Tag, an dem ich Sie im Sonnenhügel fragte. Ich sah Ihr Gesicht. Ich sagte: ›War es Ihr armes Kind?‹ Ich dachte, Sie seien eine der Mütter. Eine von denen, deren Kinder ich getötet habe. Ich hoffte, Sie würden wiederkommen und wir könnten zusammen ein Glas Milch trinken. Es war meistens Milch. Manchmal auch Kakao. Für jeden, der von mir wusste.«
    Sie schritt langsam durch das Zimmer und öffnete einen Schrank, der in der Ecke stand.
    »Mrs Moody?« stammelte Tuppence. »War sie…?«
    »Ach, Sie wissen das? Sie war keine Mutter. Sie war Garderobiere im Theater. Sie erkannte mich – und musste gehen.« Mrs Lancaster drehte sich plötzlich um und kam mit einem Glas Milch auf Tuppence zu. Sie lächelte überredend.
    »Trinken Sie«, sagte sie. »Trinken Sie es aus.«
    Tuppence blieb einen Augenblick stumm sitzen, dann sprang sie auf und stürzte, zum Fenster. Sie griff nach einem Stuhl und zertrümmerte die Scheibe. Dann beugte sie sich hinaus und schrie: »Hilfe! Hilfe!«
    Mrs Lancaster lachte. Sie stellte die Milch auf einen Tisch, setzte sich in ihren Stuhl und lachte noch immer. »Wie dumm Sie sind! Was glauben Sie, wer kommt? Wer kann denn kommen? Sie müssten Türen aufsprengen und die Wand einreißen, und bis dahin… Aber es gibt andere Möglichkeiten. Es muss nicht Milch sein. Nur ist es der einfachste Weg. Milch, Kakao und auch Tee. Für die kleine Mrs Moody habe ich es in den Kakao getan. Sie trank ihn so gern.«
    »Das Morphium? Woher hatten Sie das?«
    »Ach, das war leicht. Vor vielen Jahren lebte ich mit einem Mann zusammen. Er hatte Krebs. Der Arzt gab mir Medikamente für ihn. Nach seinem Tod habe ich gesagt, ich hätte sie vernichtet – aber ich habe sie behalten. Ich dachte, ich könnte sie vielleicht eines Tages brauchen. Und so war es auch. Ich habe immer noch einen Vorrat. Ich selbst nehme nie derartige Mittel. Ich halte nichts davon.« Sie schob Tuppence das Glas hin. »Trinken Sie das. Es ist wirklich der einfachste Weg. Der andere ist… dummerweise weiß ich nicht, wo ich es habe…«
    Sie stand auf und wanderte durch das Zimmer. »Wo habe ich es nur? Wo? Ich vergesse immer alles, seit ich alt bin.«
    Tuppence schrie wieder laut um Hilfe. Aber am Kanalufer blieb alles still.
    »Ich dachte… ja, ich dachte doch… Oh, natürlich, bei meinem Strickzeug.«
    Tuppence trat vom Fenster zurück. Mrs Lancaster kam langsam

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