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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Blätter? Ein Brief, ein Päckchen?
    In diesem Augenblick erschien der Vikar. »Oh«, sagte er. »Wollen Sie mich sprechen? – Ach, Mrs Beresford!«
    »Ja«, sagte Tuppence. »Ich bin nur gekommen, weil ich Sie fragen wollte, ob Sie eine Bibel haben.«
    »Eine Bibel?« Der Vikar sah merkwürdigerweise etwas konsterniert aus. »Hm. Eine Bibel.«
    »Ich dachte, Sie würden wahrscheinlich eine haben.«
    »Ja, natürlich. Ich muss sogar mehrere haben. Ein griechisches Testament?« fragte er hoffnungsvoll. »Aber vermutlich wollen Sie das nicht?«
    »Nein«, sagte Tuppence. »Ich suche nach der alten autorisierten Ausgabe.«
    »Hm«, sagte der Vikar. »Von der müssen mehrere da sein. Leider brauchen wir in der Kirche nur noch die moderne Bibel. Wir müssen uns nach dem Bischof richten, und der propagiert die moderne Kirche für junge Menschen. Ein Jammer ist das! Ich habe so viele Bücher in meiner Bibliothek, dass sie schon doppelreihig stehen, aber ich glaube, ich werde finden, was Sie suchen. Sonst müssen wir Miss Bligh fragen. Sie ist hier irgendwo und sucht Vasen für die Wiesenblumen, die die Kinder gepflückt haben.« Er entschuldigte sich und verschwand in dem Zimmer, aus dem er gerade gekommen war.
    Tuppence blieb gedankenverloren stehen. Sie blickte erst auf, als sich die Tür am Ende der Diele öffnete und Miss Bligh hereinkam. Sie trug eine schwere Metallvase.
    Plötzlich war Tuppence alles klar.
    »Natürlich«, sagte sie. »Natürlich.«
    »Kann ich Ihnen helfen? – Ach, Mrs Beresford!«
    »Ja«, sagte Tuppence gedehnt. »Sie sind Mrs Johnson, wenn ich nicht irre.«
    Die schwere Vase polterte auf den Fußboden. Tuppence bückte sich und hob sie auf. Sie wog sie in den Händen. »Eine praktische Waffe«, stellte sie fest. »Vor allem, wenn man jemanden hinterrücks niederschlagen will. Das haben Sie doch mit mir gemacht, nicht wahr, Mrs Joh n son?«
    »Ich – ich – was haben Sie da gesagt? Nein… nein.«
    Aber Tuppence brauchte keine Bestätigung mehr. Miss Bligh hatte sich verraten. Sie zitterte und war blass vor Angst.
    »In Ihrer Diele hat damals ein Brief auf dem Tisch gelegen. Er war an eine Mrs Yorke in Cumberland adressiert. Dahin haben Sie sie gebracht, nicht wahr, Mrs Johnson? Nachdem Sie sie vom Sonnenhügel fortgeholt haben. Und dort ist sie auch jetzt noch. Mrs Yorke oder Mrs Lancaster – Sie haben die Namen abwechselnd benutzt – York und Lancaster – wie die rot-weiß gestreifte Wappenrose im Garten der Perrys.«
    Sie drehte sich rasch um und lief aus dem Haus. Miss Bligh stand immer noch mit offenem Mund in der Diele und suchte Halt am Treppengeländer. Tuppence rannte durch das Gartentor, stieg in den Wagen und fuhr davon. Sie beobachtete im Rückspiegel die Haustür, aber niemand folgte ihr. Sie war schon an der Kirche vorbei und auf dem Weg nach Market Basing, als sie es sich anders überlegte. Sie wendete, fuhr zurück und bog links in den Weg ein, der zum Kanalhaus führte. Bei der Brücke stieg sie aus und spähte durch das Tor. Von den Perrys war nichts zu sehen. Sie lief durch den Garten zur Küchentür. Aber die Tür war zugesperrt. Sämtliche Fenster waren geschlossen.
    Tuppence ärgerte sich. Vielleicht war Alice Perry zum Einkaufen nach Market Basing gefahren. Und gerade Alice Perry wollte sie doch sprechen. Tuppence klopfte erst leise, dann immer heftiger an die Tür. Niemand antwortete. Sie drehte am Türgriff, aber die Tür öffnete sich nicht. Tuppence blieb unentschlossen stehen.
    Sie musste Alice Perry sehr dringend etwas fragen. Ob sie in Sutton Chancellor war? Das Kanalhaus lag so einsam. Es gab keine Nachbarn, die man fragen konnte, wo die Perrys hingegangen sein könnten.

17
     
    T uppence stand noch immer grübelnd vor der Tür, als diese sich plötzlich und unerwartet öffnete. Tuppence wich einen Schritt zurück und schnappte nach Luft.
    Mit allem hatte sie gerechnet, aber damit nicht! Vor ihr stand, ebenso gekleidet wie damals im Sonnenhügel und ebenso abwesend-freundlich lächelnd wie damals – Mrs Lancaster!
    »Oh!«
    »Guten Morgen. Sie wollen sicher zu Mrs Perry«, sagte Mrs Lancaster. »Heute ist Markt, wissen Sie. Was für ein Glück, dass ich Ihnen aufmachen konnte. Ich habe so lange nach dem Schlüssel gesucht. Aber kommen Sie herein. Trinken Sie eine Tasse Tee?«
    Tuppence schritt wie eine Schlafwandlerin über die Schwelle. Mrs Lancaster führte sie wie eine liebenswürdige Gastgeberin in das Wohnzimmer.
    »Nehmen Sie doch Platz«, sagte sie.

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