Lauter reizende Menschen
während er den Riege] der Pforte zuschloß. »Jedenfalls ist der Hengst dort gut aufgehoben. Ich brauche einen Wagen!«
»Ich habe keinen. Beide sind bei Carmen.«
»Donnerwetter, ja. Daran hatte ich ja gar nicht mehr gedacht!« Und zu Lens grenzenloser Verblüffung riß er die Tür des großen fremden Autos auf und sprang hinters Steuer.
»Das dürfen Sie nicht tun!« jaulte Len auf, nunmehr endgültig überzeugt davon, daß Jim den Verstand verloren hatte. »Sie können doch den Wagen nicht einfach nehmen. Das ist... Diebstahl, oder... oder mindestens...«
»Das ist mir verdammt egal!« brüllte Jim, während er Len zurückstieß und den Anlasser betätigte. »Für mich geht es um Mord — und Annabel ist bei ihr!«
»Mord?« wiederholte Len. »Und Luce ist auch dort!« Gewandt wie ein Affe kletterte er durchs offene Fenster des bereits anfahrenden Wagens und ließ sich in den Vordersitz fallen. Unvermutet setzte Rosie hinterher.
»Hinaus, Rosie!« keuchte Len. »Rosie, du magst doch gar nicht im Auto fahren! Los, scher dich hinaus!« Gehorsam verließ das große Tier den Schoß des Tankwarts und machte es sich im Fond des Wagens bequem. »O weh!« jammerte Len. »Fast wäre mir der Bauch geplatzt! Arme Rosie! Sie hat ja Angst... Erdbeben sind nämlich gar nicht nach ihrem Geschmack.«
Jim ließ die Kupplung los und gab Gas; mit einem Ruck schoß der Wagen auf die Straße und jagte davon. Vom Ufer des Sees her drang ein wilder Aufschrei herauf, und Len schaute sich um. »Der scheint etwas böse zu sein«, vermutete er sanft, denn die Wutschreie steigerten sich zum Orkan. »Jetzt rennt er zum Büro, um die Polizei anzurufen. Na, das bringt uns einen schönen Schlamassel ein, Jim! Außerdem ist Geld in der Kasse, und nicht einmal Rosie ist als Wache zurückgeblieben! Jedoch, wenn es um Mord geht...«
In diesem Augenblick gab es einen Ruck, und der große Wagen schwamm ein Stück beiseite, und das wütende Brüllen des beraubten Wagenbesitzers wurde von dumpfem Grollen abgelöst. »Das Erdbeben«, sagte Len, der einfach nicht schweigen konnte. »Da ist es! Gott sei Dank, dann haben wir es hinter uns! Nun wird sich auch Rosie wieder wohler fühlen.«
Von sich selbst konnte er das beileibe nicht behaupten. Jim brauste mit irrsinniger Geschwindigkeit dahin. Bald tauchte Carmens Häuschen vor ihnen auf. Als ihnen nun ein Auto begegnete, rief Len: »Das ist Ross! Na, der Kerl an der Tankstelle hat aber reichlich schnell die Polizei angerufen! Passen Sie auf, Jim, der macht uns allerlei Scherereien!«
Jim bremste so scharf, daß das harte Knirschen der Reifen sogar Len den Atem verschlug, und sprang im gleichen Augenblick aus dem Wagen. Atemlos, außer Fassung und ohne jedes Verständnis, dabei voller Angst, weil er die Polizei schon auf seiner Fährte wußte, lief Len hinter ihm her. Aufgeregt bellend schoß Rosie durchs Autofenster ins Freie.
Die drei hetzten ums Haus und stürmten ins Zimmer. Und dann blieb Jim wie angewurzelt in der Tür stehen, während ihm ein riesengroßer Stein vom Herzen fiel. Alles war ganz friedlich. Draußen im Garten spielten die Kinder; Annabel reichte der Mutter soeben die Kuchenplatte, und Mrs. Wharton führte eine Teetasse an die Lippen. Als Jim jedoch so ungestüm auftauchte, setzte sie die Tasse eilig wieder ab — und in diesem Augenblick drängte sich Philipp Ross an Jim vorbei ins Zimmer.
Jim schenkte ihm keinerlei Beachtung. Unverwandt schaute er Carmen an, während er aus dem Hemdausschnitt die zusammengerollte Leinwand zog und sie hastig auf dem Tisch ausbreitete. »Sehen Sie mal dieses Fohlen an! An welchem Tage haben Sie wohl dies Bild gemalt?«
Da geschah etwas Seltsames. Anstatt auf das Bild zu schauen, sprang Carmen flink auf, ergriff Augustas Tasse und wandte sich ab, um aus dem Zimmer zu fliehen.
Aber Ross war schneller als sie. Er packte sie beim Handgelenk und entwand ihr die Tasse. »Nicht doch!« knurrte er. »Was ist eigentlich darin?«
Carmen gab keine Antwort. Aber sie drehte sich um und deutete mit zitternder Hand auf Mrs. Wharton. Mit hoher, kreischender Stimme, die ihrem sonstigen sanften Flöten gar nicht ähnlich war, schrie sie: »Diese Frau! Sie hat es Ihnen verraten! Sie hat das Bild gekauft, um mich in die Falle zu locken. Sie hat mich ausspioniert!«
Jim drängte sich vor. »Nein, sie hat mir nichts verraten. Das Bild selbst hat mir alles gesagt. Das Fohlen ist nämlich nur einen einzigen Tag frei auf der Koppel herumgelaufen — am Tage, an
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