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Lauter reizende Menschen

Lauter reizende Menschen

Titel: Lauter reizende Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott - Joyce West
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jetzt den andern, daß ich recht hatte.«
    Während dieser Worte schob er dem Hengst das Zaumzeug über die Ohren, warf ihm den leichten Übungssattel auf, schnallte die Steigbügel länger, zog den Sattelgurt um ein Loch strammer und vergaß dabei nicht, immer wieder beruhigend den sehnigen Hals des edlen Tieres zu klopfen. Endlich führte er >Raubritter< aus dem Stall und sprang mit gewandtem Satz in den Sattel.
    Geradezu erstickend drückte nun die Luft, und bleiern lastete der Himmel auf dem Land. Eine seltsame Stille herrschte, wie eine Pause, wie ein Abwarten. Abwarten? Worauf wartete die Welt? Sogar das Pferd schien erregt; es warf den Kopf hoch, senkte ihn wieder, riß am Zügel. Sacht drängte Jim >Räuber< in den Galopp, beugte sich weit über die Schulter des Tieres und gab ihm mehr Leine. Mit riesenhaften Sätzen jagte der große schwarze Hengst über die mit Buschgras bewachsene Hochebene dahin.
     

VIERZEHNTES KAPITEL
     
    In Carmens Häuschen herrschte eitel Frieden. Die Kinder spielten im Garten, überwältigt und ein wenig eingeschüchtert von den Legionen Gnomen und Gespenstern, die zwischen den Blumen lauerten. Augusta zwang ihre Verärgerung unter Aufbietung aller Seelenkräfte nieder und hörte zerstreut dem Geschwätz der Gastgeberin zu. Lucia und Augusta wagten einander nicht in die Augen zu sehen, denn sie kannten wohl den Grund dieser Zurückhaltung.
    »Die einzige Möglichkeit, ein weiteres Zusammensein mit diesem blöden kleinen Geschöpf zu überleben, besteht darin, daß ich es in mein Buch aufnehme!« hatte Augusta erklärt, nachdem es ihr über geworden war, immer weiter auf den bevorstehenden Besuch zu schimpfen. »Wenigstens ist die Zeit nicht verloren, wenn ich sie dazu benutze, ihr Getue zu studieren und mir das elende Geschwätz anzuhören. Also fahren wir meinetwegen: Ich werde Auge und Ohr offenhalten.«
    Carmen sonnte sich gleichsam in der Aufmerksamkeit der großen Dichterin; sie bemerkte kaum, daß auch Lucia und Annabel noch anwesend waren. »Und das hier ist mein kostbarster Schatz!« flötete sie. »Ich habe ihn eigens herausgebracht, um ihn Ihnen zu zeigen. Gewöhnlich bleibt es, nur mir selbst zur Freude, in meinem Schlafzimmer.«
    Auf einer hohen Staffelei, die kaum in den engen Raum paßte, befand sich ein gerahmtes Aquarell einer südlichen Landschaft — die beste Arbeit von Aloysius Mills, die den Besucherinnen je zu Gesicht gekommen war.
    »Was soll denn die Staffelei?« flüsterte Lucia, und Annabel erwiderte mit zum Himmel gewendeten Augen: »Weil an der Wand nicht genug Platz ist. Ach, wenn doch jetzt gerade James hereinstürmte und das Ding versehentlich umstieße!«
    Sogleich aber wurde sie durch diesen unfrommen Wunsch bestraft. Sie schaute aus dem Fenster — und stieß einen gequälten Ruf aus. Eve saß noch immer ganz brav auf dem winzigen Rasenplatz, den der Garten zu bieten hatte, aber James war es über geworden, tatenlos die Gnomen zu begucken. »Dieser Unband hat doch wirklich sein gräßliches Luftgewehr mitgebracht und geht nun zum Angriff auf die Zwerge über!« Damit rannte sie hinaus, und Lucia folgte ihr; sie war froh, ins Freie entwischen zu können, denn die stickige Luft drinnen im Hause raubte ihr buchstäblich den Atem.
    »Ein fürchterlicher Nachmittag«, stöhnte sie. »Ob das Wetter die Ursache dieser lastenden Schwere ist? Schau dir nur den Himmel an, und horch, wie seltsam die Vögel schreien.«
    »Vermutlich hängt ein Erdbeben in der Luft«, erklärte Annabel ganz ruhig. »Unheil wird es nicht anrichten, höchstens eines der steinernen Gespenster umwerfen; wenn es dann auf James fällt, geschieht es ihm nur recht. James, habe ich dir nicht ausdrücklich verboten, dein Gewehr mitzubringen? Du wirst die reizenden Zwerge von Miss Mills beschädigen! Gib es sofort her; ich bringe es ins Auto!«
    Die Antwort bestand in einem Gebrüll hemmungsloser Wut, und dann schleuderte der Junge zu Lucias aufrichtiger Freude einen Erdklumpen dem dicksten Gnomen mitten aufs Auge. »Wenn ich nicht auf sie schießen darf, dann schmeiße ich mit Dreck! Die häßlichen Dinger! Die ekelhaften Kerle. Ich zermatsche ihnen die Augen!« Und leise knirschte er in sich hinein: »Ich hole mir das Gewehr schon wieder!«
    Annabel zuckte die Achseln. »Ein Glück, daß keine Steine im Garten herumliegen. Geh nur wieder hinein, Lucia! Carmen Mills ruft schon, und ich möchte nicht, daß sie erst herausgelaufen kommt und sieht, womit sich mein unartiger Sohn

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