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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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unseres Facettenlasers schlucken und praktisch wirkungslos machen würde. Dem Commander blieben also nur noch die Kernladungsraketen. Auch die unseren.
    Ich rechnete mit dem entsprechenden Befehl innerhalb der nächsten Sekunden, Morris würde kaum mehr Zeit benötigen als ich, um sich über die neue Situation klarzuwerden. Ich stellte mir vor, wie sich sein Gesicht verändern würde, wenn er sähe, daß ich das Kommando über die Arrow führte und Newman hinter mir gefesselt auf den Rücksitzen lag. Der erste Schuß der Odin würde nicht die Erde, sondern die Arrow treffen.
    Aber als dann nach zwei oder drei Sekunden die Odin im Kreuz des Zielmonitors lag, da ließ sich der Auslöseknopf nicht mehr betätigen. Seit ich die beiden Drehungen ausgeführt hatte, waren mehr als zehn Sekunden vergangen, die Starttore hatten sich demzufolge längst wieder geschlossen. Ich hätte das Manöver wiederholen müssen, aber dazu kam ich nicht mehr.
    Genau in dem Augenblick, in dem ich die Rechte auf den roten Drehgriff legte, begannen Funken über den Bildschirm der Kom-Anlage zu huschen und malten blitzschnell ein Gesicht. Ich erwartete den Commander zu sehen, und ich war ein wenig verwirrt, als ich den kleinen Graves erkannte, dieses dunkle, spitznasige Gesicht, das der Commander aus ganzem Herzen haßte, und die schwarzen Augen, in denen ich jetzt ein fast irres Leuchten zu sehen glaubte.
    »Achtung, Arrow!« rief Graves. »Achtung, Arrow! Ich übermittle Ihnen einen Befehl von Commander Brake mit der Dringlichkeit Alpha!«
    Zuerst dachte ich, er sei wirklich verrückt geworden. Er wäre nicht der erste gewesen, aus dem die Angst einen Narren gemacht hat. Doch dann fuhr er fort, jedes einzelne Wort mit Genuß betonend: »Die Leitung der Forschungsstation Odin ist von Commander Brake übernommen worden. Der Commander befiehlt die unverzügliche Rückkehr der Arrowbesatzung. Die Kampfhandlungen werden nicht eröffnet.«
    Und dann hatte dieser kleine Mann da drüben die Augen plötzlich voller Tränen.
    »Habt ihr gehört? Harold, Phil!« schrie er. »Wir machen schon die Schießscharten dicht. Wir werden nicht angreifen, wir werden leben!«
    Es war ungeheuer. Es war wie eine Explosion in meinem Inneren. Plötzlich war alles anders. Die Welt würde nie wieder so sein, wie sie noch vor einer Sekunde gewesen war.
    Und ich fragte dümmlich: »Was ist mit Glenn Morris, Graves?«
    Der kleine Funker lachte noch immer. »Was soll schon mit ihm sein? Er hat das Kommando abgegeben und ist gegangen. Sitzt vielleicht in seiner Bude und heult. Was weiß ich denn?« Dann bemühte er sich um einen sachlichen Ton. »Ihr sollt unverzüglich zur Odin zurückkehren«, sagte er. »Das ist ein Befehl!«
    Ich fühlte mich noch immer leer. Das Wissen, daß wir, die Welt, die Menschen, alles gerettet waren, drang nur ganz langsam in mich ein. Und auch die Zweifel, daß das alles wirklich endgültig sein könnte. Eins aber war gewiß, die Menschheit hatte sich eine weitere Frist erkämpft.
    Auf der Odin gibt es einen neuen Kommandanten, dachte ich, und das Land, aus dem sie kommt, wird einen neuen Präsidenten haben. Gewiß, einige Jahre lang wird der Schock, den Millionen von Demonstranten und die Abkehr fast aller Staaten verursacht haben, wirken, aber kein Schock währt ewig, und die Ordnung in diesem Land hat sich nicht gewandelt. Man wird den Leuten neue Leitbilder geben, und heute ist noch nicht abzusehen, ob es wirklich bessere sein werden. Nein, es ist nur eine Frist, von der ich allerdings hoffe, daß sie genutzt werden wird.
    Und ich? Was hatte ich noch an Bord der Odin zu schaffen? »Ich werde nicht zurückkehren«, sagte ich. »Holt Newman ab. Er liegt auf den Rücksitzen.«
    Ich sah noch das Gesicht des kleinen Graves, auf dem sich Erstaunen ausbreitete, dann schlug ich auf den Katapultauslöser.
    Danach war ich lange bewußtlos.
    Ich bemerkte weder, daß sie mich irgendwo über dem Ochotskischen Meer einfingen wie ein goldenes Stäubchen, noch, was in den ersten Stunden mit mir geschah. Das einzige Gefühl, das ich mit hinübergenommen habe in das tagelange Nichtsein, war der Ärger darüber, daß ich eigentlich nichts hatte tun können, daß ich am Ende doch versagt hatte.
    Nur, konnte ich als einzelner den Tod besiegen?
     
     
Epilog
     
    Ein graubärtiger Mann im Rollstuhl und eine dunkelhaarige Frau, die eine Decke um seine steifen Beine ordnet.
    »Nein, Phil. Als einzelner konntest du gegen die Gewalt nichts ausrichten. Aber als

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