Lautlos im Orbit (1988)
Newman schlägt sich mit der flachen Hand an den linken Oberschenkel. Die Batterie seines großkalibrigen Lasers gibt ein klapperndes Geräusch von sich.
»Ich hoffe, Sie werden sich im Bedarfsfall nicht scheuen, sie einzusetzen, Captain.«
»Aber nein, Sir! Wenn es sich als notwendig erweisen sollte, immer, Sir!«
Dieser Glenn Morris ist ein Schakal. Man sollte ihn auf der Stelle umbringen. »Man müßte ihm den Schädel einschlagen«, würde Danny Clearwater sagen.
Ach Danny! Wie viele solcher Schädel sind schon eingeschlagen worden, und nichts hat sich geändert.
Wir stehen über der Wüste Gobi. Haben noch annähernd zwölf Stunden vor uns. Jetzt müßte man tief und traumlos schlafen können. Doch wer kann das schon, wenn er weiß, daß die restlichen Stunden seines Lebens keinen einzigen Tag mehr ergeben.
Aus dieser Höhe wirkt die Erde wie ein von Meisterhand geschaffenes Kunstwerk. Dies ist wieder einer der Momente, in denen ihr Anblick dir den Atem stocken läßt, so schön ist sie. Sie ist wirklich ein Kunstwerk. Eine erstaunliche, vielleicht einmalige Schöpfung, an der die Künstlerin Natur jahrmillionenlang geformt und immer wieder verbessert hat, bis all die verschiedenen Komponenten so genau aufeinander abgestimmt waren, daß ein exakt funktionierendes System miteinander korrespondierender und einander bedingender Details entstanden ist, deren jedes die anderen im Gleichgewicht hält.
Von hier oben, aus dem Orbit, erkennst du erst richtig, wie verletzlich sie ist.
Du glaubst ganz deutlich zu sehen, daß die Schale dieser pastellenen Kuppel da unter dir hauchdünn ist, nicht dicker als die Hülle des Balls, mit dem du als Kind gespielt hast. Nur spröder ist sie, viel, viel spröder.
Wirf einen Ball gegen die Wand, und es wird ihm nicht schaden, aber ritze nur die dünne Schale der Erde, etwa da, direkt unter dir, wo die Wasser des Kongo sich mit denen des Golfs von Cabinda vermählen, und sie wird aufreißen wie die Haut eines geschundenen Tieres zu einer entsetzlichen Wunde, und ihr glühendes Blut wird hervortreten, Länder und Meere unter feuersprühendem Schorf erstickend.
Wir haben noch eine knappe Stunde bis zur Zeit Null. Die Westküste des afrikanischen Kontinents weicht dem Blau des Südatlantiks. Einem unglaublich glasigen Blau, von dem man meint, daß es den Grund des Meeres nicht verbergen könnte. Doch entzieht nicht auch das Blau des Himmels die Sterne unseren Blicken? Wie lange wird der Himmel unseres Planeten noch so wundervoll blau sein?
Eine einzige, aus einer Laune heraus so und nicht anders getroffene Entscheidung des Commanders hat vielleicht das Todesurteil über unsere Erde verhängt. Jedenfalls sind meine Chancen, die Odin an der Eröffnung ihres Vernichtungsfeldzuges zu hindern, nur noch verschwindend gering.
Es ist wirklich grotesk. Ohne es auch nur im geringsten zu ahnen, hat Glenn Morris eine Situation geschaffen, in der ich praktisch nichts gegen ihn auszurichten vermag. Gewiß, die Arrow verfügt über mehrere mit Kernladungen bestückte Jagdraketen, von denen schon eine einzige ausreichen würde, diese waffenstarrende Festung aus dem All zu sprengen, aber um sie mit einiger Aussicht auf Erfolg abfeuern zu können, müßte ich mich der Mitwirkung Harold Newmans versichern. Oder zumindest seiner Loyalität. Denn er steuert ja die Arrow. Und ich halte es für ein absolut aussichtsloses Unterfangen, ihn auf meine Seite ziehen zu wollen. Er ist nicht der Typ, der die zur Auflehnung notwendigen Gedankengänge vollziehen könnte. Er gehorcht einem während seiner Ausbildung eingeprägten Programm, das später noch vertieft worden ist und das sich, zumindest von seiner Warte aus gesehen, recht gut bewährt hat. Ein solches Programm ist nur durch Gewalt oder einen tiefgreifenden Schock zu modifizieren, grundlegend zu verändern ist es überhaupt nicht.
Nein, auf Harold Newman kann ich nicht zählen. Vielleicht gelingt es mir, ihn auszuschalten, zu überzeugen vermag ich ihn bestimmt nicht.
Die Odin befindet sich im optischen Bereich. Wir fliegen zur Zeit auf einer geringfügig erdferneren Bahn als sie, die sich, wenn man unsere Bewegungsrichtung zugrunde legt, hinter uns befindet. Sie nähert sich weiter, wird schließlich unter uns hindurchtreiben, und bald danach werden wir abbremsen, um einen kleinen Betrag zwar nur, aber das wird ausreichen, um uns tiefer sinken zu lassen, worauf wir wieder eine höhere Geschwindigkeit über Boden als die Station
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