Lautlos im Orbit (1988)
seltsam wiegenden Schritten, als befände er sich nicht an Bord einer Raumstation, sondern auf den schwankenden Decksplanken eines kleinen Fischkutters.
Ich aber wende mich wieder meinem Monitor zu und fühle mich dabei wie jemand, der eine in buntes Seidenpapier verpackte Bombe in der Tasche trägt.
Gegen Mitternacht stöbere ich Skelton im Spielsalon auf und bitte ihn, mich abzulösen.
Skelton, ein nicht sehr großer, aber breitschultriger Elektroniker aus Boston, ist angetrunken. Er flucht über die Störung wie ein irischer Kneipenwirt. Dann aber hält er sich die Hand vor den Mund und grinst entschuldigend. »Schon gut, Phil«, sagt er. »Ich weiß, daß du die Stellung lange genug gehalten hast.«
Der Lift bringt mich zum Außenring, um den die Kabinen angeordnet sind. Je weiter ich nach außen zu fallen scheine, um so mehr erhöht sich mein Gewicht. Ein Pseudogewicht, das durch die Rotation der Wohnsektionen hervorgerufen wird.
Ich mag diese niederdrückende Last meines eigenen Körpers nicht mehr sonderlich. Das Vierteljahr an Bord der Odin hat ausgereicht, um mich die Schwerelosigkeit im Zentrum der Station, im Leitstand vor allem, als angenehm empfinden zu lassen. Das ist ein zweiter Grund, wenn auch ein weit weniger triftiger als der erste, den Dienst über den Zeitplan hinauszudehnen.
Endlich erreicht die Kabine den Außengang, und ich gehe an einer langen Reihe von Türen vorbei, die sich nur durch einen Ziffernkode und die nachträglich angebrachten Namensschildchen voneinander unterscheiden.
Die Tür zur Kammer der Lokatorin ist nur angelehnt, und aus dem Inneren dringt das Geräusch strömenden Wassers. Auch Jane Blackwood hat also den Dienst beendet. Offenbar nimmt sie ein Duschbad.
Sie hat eine schöne Haut, die große, dunkelhaarige Jane, glatt und mattbraun, mit feinem, hellem Flaum, der ihrem Teint einen silbrigen Schimmer verleiht.
Ich versuche mir auszumalen, wie es wäre, Janes Haut zu berühren, und ich warte auf die Regung, die durch eine solche Vorstellung ausgelöst werden müßte. Doch nichts dergleichen geschieht. Wenn da wirklich etwas wäre, was mich zu dieser Frau zöge, mit Gefühlen hätte es nicht viel zu tun.
Das ist gut so, sage ich mir, denn nichts wäre in meiner Situation gefährlicher als unkontrollierbare Neigungen. Sie liegen jenseits dessen, was ich mir gestatten darf. Aus Gründen meiner eigenen Sicherheit.
Als das Rauschen drinnen in der Kammer verklingt und nackte Füße über weichen Teppichboden tappen, gehe ich weiter. Und die Türen, die ich passiere, sind wie geschlossene Zugänge zu fremden Welten.
Meine Gedanken beginnen, angeregt wohl durch die Vorstellung, Janes Haut zu berühren, um die anderen weiblichen Besatzungsmitglieder der Odin zu kreisen. Zwölf oder dreizehn mögen es sein, ausnahmslos Spezialistinnen, die sich in der Gemeinschaft mit den rund zweihundert Männern gut zu behaupten wissen. Ich überlege, ob es vielleicht angebracht wäre, zu der einen oder anderen persönliche Kontakte zu suchen. Eine derartige Verbindung könnte ganz gut als Mantel dienen, der verbirgt, was nicht an die Öffentlichkeit gelangen darf.
Aber wieso müßte ich suchen? Ich müßte nur nehmen, was sich mir bietet. Die Frauen hier an Bord sind zwar durchweg sehr selbstbewußt, übermäßig prüde scheinen sie jedoch nicht zu sein. Bei diesem Gedanken spüre ich deutlich, daß jetzt die erste Bresche in eine Mauer geschlagen ist, die ich selbst um mich errichtet habe.
Nein, ich glaube nicht mehr, daß man sich ständig verbergen kann. Nicht vor der Vergangenheit und auch nicht vor der Zukunft. Das Leben wird einen immer wieder einholen, wo man sich auch befinden mag. Es sei denn, man zöge es vor, nicht zu denken. Aber das hieße wohl auch, nicht zu leben.
In der Nähe meiner Kabine kommen mir zwei Zubringerpiloten entgegen, junge Männer in hautengen dunkelbraunen Kombinationen, auf deren linker Brustseite die Kokarde der Space Force leuchtet. Ihr Gruß wirkt ein wenig nachlässig.
Meine Kammer ist von spartanischer Kargheit. Bisher habe ich mich nicht dazu durchringen können, der Standardausrüstung etwas hinzuzufügen. Weil es sich als notwendig erwiesen hat, mir immer und immer wieder ins Bewußtsein zu rufen, daß ich hier an Bord ein Fremder bleiben muß.
Das ist nicht leicht. Denn trotz aller Einfachheit empfinde ich beim Anblick der kleinen Kabine, die ich seit einem knappen Vierteljahr bewohne, schon so etwas wie heimatliche Gefühle. Vielleicht
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