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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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da sie, obwohl bescheiden und unpersönlich, immer noch wie ein Palast wirkt im Verhältnis zu den Bedingungen, unter denen ich aufgewachsen bin. Daß ich so empfinde, macht mich betroffen.
    Es mag der dritte und sicherlich nicht unwichtigste Grund sein, der mich länger als üblich in der angespannten Atmosphäre des Leitstandes ausharren läßt, daß dort die Erinnerungen keine Gelegenheit finden, aus den verborgenen Winkeln meines Bewußtseins hervorzukriechen und mich zu überschwemmen. Dort werden sie erstickt unter einer dicken Schicht ständiger und unabdingbarer Konzentration.
    Daß allein der Anblick meiner Kabine ausreicht, diese Schicht aufzureißen und Erinnerungen heraufzubeschwören, finde ich äußerst besorgniserregend. Ich muß versuchen, das zu verhindern. Vielleicht wäre es vernünftiger, trotz der späten Stunde noch etwas zu unternehmen. Ich mag jetzt nicht allein sein.
     
    Durch die Bullaugen fällt diffuses Licht, dessen Farbe und Intensität in gleichmäßigem, ermüdendem Rhythmus wechselt. Wir überqueren die Tagseite der Erde.
    Ich esse langsam, ohne Appetit, es ist eine Tätigkeit, die weder Genuß bereitet noch der Regeneration dient, sondern die Vernichtung von Zeit zum Ziel hat.
    Es wird mein an diesem Tag letzter Kampf gegen die Erinnerungen sein. Ich fürchte, daß ich ihn verlieren werde.
    Ich mag dieses Weißbrot nicht. Es ist wie Schaumstoff. Wenn man es mit der Zunge gegen den Gaumen drückt, dann löst es sich auf zu einem geschmacklosen Brei, der sich zwischen den Zähnen festsetzt. Welch einen Genuß würde mir jetzt ein Kanten irischen Schwarzbrotes bereiten.
    Verdammte Sentimentalität! Boshafte Erinnerung, die sich nun schon einer Scheibe Brot bedient, um hervorbrechen zu können. »Hallo, Phil!«
    Jane Blackwood! Ausgerechnet sie. Und gerade jetzt, da meine Stimmung den Wert guter Vorsätze auf Null reduziert hat.
    »Hallo, Jane!« sage ich, und ich spüre, daß mein Gruß halbherzig klingt.
    Sie setzt sich mir direkt gegenüber, blickt mich an und hat dabei ein Lächeln um den Mund, als fände sie es amüsant, mich aus der Reserve zu locken.
    Ich habe keine Ahnung, was in ihrem Kopf vorgeht, doch in diesem Augenblick, fürchte ich, hält sie mich für verklemmt. Im günstigsten Fall, sie könnte Schlimmeres denken. Und die anderen selbstverständlich auch.
    Wieso eigentlich bilden die anderen Besatzungsmitglieder in meiner Vorstellung noch immer eine Gruppe, der ich allein gegenüberstehe? Gut, genau das ist die Situation, aber an die Realität dieser Konstellation auch nur zu denken kann sich schon als gefährlich erweisen. Ich bin einer von ihnen, Captain Philipp McBruns, meine Identität ist lückenlos, ich habe alle Prüfungen bestanden, und ich bin in keine einzige der Fallen getappt, die man mir, wie ich annehmen muß, in nicht geringer Anzahl gestellt hat.
    Also gibt es keinen Grund, sich gegenüber Jane oder den anderen Frauen hier an Bord distanziert zu verhalten. Im Gegenteil. Du hast dich so zu benehmen, wie es den in dieser Situation üblichen Umgangsformen entspricht. Und deine Kameraden sind nicht gerade wählerisch, was ihre Ausdrücke und Gesten anbetrifft. Da wäre es doch wirklich nicht ungewöhnlich, daß sich eine Frau Gedanken zu machen beginnt, wenn unter den Männern an Bord einer ist, der im Gegensatz zu allen anderen nicht erkennen läßt, daß er gelegentlich gern mehr von ihr hätte als ein Lächeln oder einen Händedruck im Vorbeigehen.
    Nun, denn, plaudere, Phil! Erzähle ihr Geschichten, wahre und erfundene, berichte aus deinem Leben, aus dem selbstverständlich, das du dir beschafft hast, aus diesem bunten, abenteuerlichen Leben. Aber sieh dich vor, daß du nicht ins Träumen kommst, bleib stets hellwach, sprich ihr nicht von den grünen Hügeln deiner Heimat, nicht von den Rasenbänken unter uralten Fichten, in deren Wipfeln geheimnisvolle Geister leben, die nachts die einsamen Gehöfte um Calman’s Edge heimsuchen. Und sag ihr um Himmels willen bloß nicht, daß du als Kind noch Gnomen und Hexen begegnet bist.
    Nimm ihre Hand, Phil! Sie hat sie nicht von ungefähr neben deine gelegt. Und sieh ihr in die Augen, verdammt noch mal! Du mußt aussehen wie einer von denen, wenn sie ihre gewonnenen Chips zählen. Und plaudere dabei von ganz anderen Dingen, Philipp Barrymore! »Ich nehme an, deine Familie stammt aus Irland.«
    O Gott! Da muß ich mich doch tatsächlich verquasselt haben. Wer weiß, was ich ihr alles erzählt habe, während ich

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