Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
vor mir aus, damit ich begreife, dass ich da bitte schön nichts mehr verloren habe. Er hat nicht einen Schlussstrich gezogen, sondern gleich ein ganzes Dutzend. Und er war ziemlich gut darüber informiert, was ich in Köln tue und wie lange ich hier sein werde, wie du selbst schon festgestellt hast. Solch luzide Eleganz hat der gute alte Paddy aus den Tagen des Trinity nicht im Entferntesten besessen. Er hätte mich entweder aufgesucht, wenn ihm an meiner Gesellschaft gelegen wäre, oder gar nicht. Stattdessen hetzt er mich durch das Labyrinth seiner Psychosen und entlässt mich mit einer deutlichen Warnung.«
    »Warnung?«, echote Kuhn.
    »Ja! Mich rauszuhalten. Ich soll glauben, dass er einen neuen Namen angenommen hat, um in Frieden leben und arbeiten zu können. Lächerlich. Der rechtschaffen gewordene Halunke und seine historische letzte Chance. Ich bin ergriffen und zu Tränen gerührt. Aber wischen wir den Rotz von der Nase und bemühen unseren Verstand: Was wäre also, wenn ihn jemand geschickt hätte? Jemand, der kein Interesse daran hat, wenn alte Freunde hinter Paddy Clohessy herschnüffeln und öffentlich verbreiten, dass ein ehemaliger Aktivist der IRA – oder wo immer er sich sonst noch rumgetrieben hat – plötzlich in der Technik eines renommierten europäischen Flughafens auftaucht.«
    »Eines Flughafens zudem«, ergänzte Kuhn zwischen zwei Schlucken, »der seit Anfang des Monats von jedem irgend relevanten Politiker frequentiert wird. Ganz zu schweigen von denen, die noch kommen.«
    Er hatte die Worte ausgesprochen, als handele es sich um eine Marginalie. Im nächsten Moment weiteten sich seine Augen. Erst jetzt schien er sich dessen bewusst zu werden, was er gesagt hatte.
    »Mein Gott«, flüsterte er.
    »Langsam.« Wagner trat zwischen die beiden Männer und legte jedem von ihnen einen Arm um die Schulter. »Wir konstatieren fürs Erste, dass aus Paddy Ryan wurde. Okay? Alles andere entspringt unserer Phantasie.«
    »Wenn es nur unserer Phantasie entspränge, hätte ich dem Abend längst schon attraktivere Seiten abgewonnen«, sagte O'Connor mit eindeutigem Funkeln in den Augen. »Natürlich ist alles blasse Theorie, aber wozu kommt Paddy in einem solchen Affenzahn herbeigerauscht, nur um mich darüber aufzuklären, dass ich ihn vergessen soll? Seine Geschichte geht auf tausend Krücken. Er hätte nie aus freien Stücken so gehandelt! Aber jemand sagt ihm, Paddy, alter Unglücksrabe, das ist eine dumme Sache, war nicht vorgesehen. Gar nicht opportun, dieser O'Connor. Geh hübsch hin und sag ihm, er soll dich um Himmels Willen nicht verraten und dir die Zukunft vermasseln, gefallener Engel, der du bist, voll der edelsten Absichten, dem Bösen abhold und einzig darauf erpicht, ein ehrbares Leben zu führen. Seif den Kerl gehörig ein. Aber so was kann der gute Paddy eben nicht. Er steht vor mir und bringt es nicht fertig, Small Talk zu machen. Er weiß schlicht und einfach nicht, was er sagen soll, also sagt er die Wahrheit. Warum er abgerutscht ist. Was schief gelaufen ist. Er redet sich die Vergangenheit von der Seele und sagt viel zu viel. Schließlich hat er das Gegenteil von dem erreicht, was seine Einflüsterer beabsichtigen. Ich misstraue ihm. Ich denke, Paddy, du armseliger Idiot, jemand hat dich hergeschickt, um mich einzulullen. Und warum? Damit ich euch in Ruhe das zu Ende bringen lasse, weswegen ihr hier seid.«
    »Gut«, sagte Wagner. »Wenn du der unbedingten Überzeugung bist, Clohessy und irgendwelche ominösen Drahtzieher hätten den Flughafen infiltriert, was schließt du dann daraus?«
    »Ich weiß nicht. Wer landet hier alles in den nächsten Tagen?«
    »Clinton«, sagte Kuhn, an seinen Fingern abzählend. »Morgen Abend, soweit ich weiß. Außerdem die Japaner. Möglicherweise Kanada.«
    »Alle morgen?«
    Kuhn zog die Brauen zusammen.
    »Ja, ich denke schon. Jelzin erwarten sie übermorgen, glaube ich. Immer vorausgesetzt, er schafft es die Gangway runter.«
    »So krank?«, fragte Wagner.
    »So betrunken«, warf O'Connor ein. »Vorletztes Jahr in Dublin stand seine Maschine geschlagene drei Stunden auf dem Rollfeld. Der Taoiseach wartete, dass Boris Nikolajewitsch irgendwann zum Vorschein kommen würde, aber der balgte sich im Delirium mit seinem Leibwächter. Schließlich hob der Flieger wieder ab. Das Ehrenbataillon ging unverrichteter Dinge vom Rollfeld, und der Premier verlernte seinen russischen Begrüßungssatz.«
    »Eine präzise Schilderung Jelzin'scher

Weitere Kostenlose Bücher