Lautlos
erwärmendes Lächeln in die Runde. »Wir wollen hoffen, dass die Abläufe des heutigen Tages durch die Geschichte keine Beeinträchtigung erfahren.«
Brauer sah ihn sorgenschwer an.
»Was schief gehen könnte, geht immer schief«, sagte er. »Haben Sie die Geschäftsleitung schon verständigt?«
»Noch nicht. Ich will die nächsten Ergebnisse abwarten.«
»Sehr vernünftig.«
»Wenn Sie den Flughafen evakuieren lassen, würde ich es gern als Erster erfahren«, frotzelte Fuchs. »Ich hasse es, im Stau zu stehen.«
Lavallier grinste.
Innerlich war ihm nicht danach zumute.
Als er gegen elf Uhr in das flache Gebäude der Polizeiwache zurückkehrte, waren O'Connor und Wagner noch nicht wieder eingetroffen. Lavallier hoffte, dass sie brav beim Frühstück hockten. Er war sich bei O'Connor nicht sicher, welche Überraschungen ein Mann bereithielt, der ein Kolloquium aus purem Übermut in eine Stampede verwandelt hatte und es schaffte, dass sich Politiker öffentlich zum Affen machten.
Unterdessen waren Bär und seine Leute eingetroffen, hatten zwei Büros mit Beschlag belegt und telefonierten um die Wette. Lavallier wartete, bis Bär aufgelegt hatte, und nahm ihm gegenüber Platz.
»Was Neues?«, fragte er.
Bär drückte eine bis zum Filter abgerauchte Zigarette in seinen Aschenbecher und lehnte sich zurück.
»Wir haben den Wagen gefunden.«
»Die Ente?«
»Rate mal, wo.«
Lavallier brauchte nicht lange zu überlegen.
»In der Rolandstraße.«
»Ordnungsgemäß abgestellt und abgeschlossen. Etwas mehr als hundert Meter von O'Deas Wohnung entfernt, so, dass Kuhn daran vorbeigefahren sein muss, bevor er parkte.«
»Und O'Dea?«
»Das Spurensicherungsteam ist in seiner Wohnung zugange, aber wir können jetzt schon sagen, dass O'Dea sich aus dem Staub gemacht hat.«
»Du meinst, er ist untergetaucht?«
Bär schlürfte seinen Kaffee. Er entzündete eine weitere Zigarette und hielt Lavallier die Schachtel hin.
»Immer noch nicht«, sagte Lavallier. »Seit zweiundvierzig Jahren nicht.«
»Richtig. Vergesse ich jedes Mal. Ja, es deutet einiges darauf hin. Die Wohnung wirkt, als sei er überhastet aufgebrochen, hätte aber noch Verschiedenes eingepackt. Aufgerissene Kleiderschränke, offene Schubladen, kaum persönliche Gegenstände. Schließt du irgendwas daraus?«
Lavallier brütete vor sich hin.
»O'Dea hat gestern Mittag erfahren, dass O'Connor ihn erkannt hat«, sagte er halb zu sich selbst. »Abends treffen sie sich dann, und in derselben Nacht macht O'Dea sich aus dem Staub. O'Connor hat er erzählt, er habe die Identität wechseln müssen, weil es Ärger mit der IRA gab.«
»Also weiß O'Connor im Augenblick am meisten.«
»Wie man's nimmt. O'Connor hört sich gern reden. Ich schätze, er weiß auch nicht mehr als das, was Clohessy ihm erzählt hat.«
»Wenn die Geschichte stimmt«, meinte Bär, »muss die Sache nichts mit unserem Gipfel zu tun haben. Nehmen wir an, Clohessy war tatsächlich bei der IRA. Es gab Ärger, wie du sagst, dann ist es nur natürlich, dass er untertauchen muss. Wer bei den Irisch Republikanischen in Ungnade fällt, kann sein eigenes Grab schaufeln. Er lässt also was springen und verwandelt sich in Ryan O'Dea, einen Mann mit niet- und nagelfester Vita, der es schafft, eine Anstellung an einem deutschen Airport zu bekommen.«
»Warum tut er das?«
»Er will seinen Frieden«, schlug Bär vor.
»Einverstanden. Und weiter.«
»Weiter?« Bär blies die Wangen auf. »Na ja, plötzlich steht O'Connor vor ihm. Seine neue Identität ist geplatzt. Er bekommt Angst und setzt sich ab.«
Lavallier schwieg. Es klang nicht schlecht. Leider klang es auch nicht richtig gut.
»O'Dea und O'Connor sind Studienkollegen und waren befreundet«, sagte er nachdenklich. »Über die Jahre haben sie sich entfremdet, aber Ärger gab's eigentlich keinen. Jetzt stell dir vor, du bist Clohessy. Dein Persönlichkeitswechsel ist geglückt, du hast die IRA ausgetrickst und dich in Köln etabliert. Eines Tages läuft dir dein alter Kumpel über den Weg und erkennt dich! – Ich meine, klar, du erschrickst, es missfällt dir, aber würdest du deswegen abhauen? Deine mühsam erworbene neue Haut abstreifen? Würde es nicht reichen, O'Connor reinen Wein einzuschenken und ihn zu bitten, um alter Freundschaft willen den Mund zu halten?«
»Was er ja auch getan hat.«
»Eben. Und darum gibt es keinen Grund, einfach so zu verschwinden.«
Bär überlegte.
»Doch«, sagte er. »Zwei sogar.«
Lavallier
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