Lautlos
hereingeflattert waren und Kika Wagner ihre Erinnerung wieder gefunden hatte, hockte er in Gombels Besucherecke und informierte vier ernst bis besorgt dreinblickende Männer über den Stand der Dinge.
Wie vorhin hatte jeder von ihnen seiner Einladung umgehend Folge geleistet. Neben Gombel saß der Technische Direktor Wolfgang Klapdor, der gleich um die Ecke residierte und sich seit Anbeginn der Bauzeit mit Behörden und Ämtern um Beglaubigungen und Genehmigungen für die Fertigstellung des neuen Terminals herumprügelte. Klapdors Markenzeichen waren Vollbart und Halbbrille am Band. Lavallier wartete ständig darauf, ihn aus einer Zigarettenspitze rauchen zu sehen, was den Eindruck eines distinguierten Kaffeehaus-Literaten komplettiert hätte.
Neben ihm lehnte Peter Stankowski in den schwarzen Lederpolstern, der Verkehrsleiter, ebenfalls bärtig und von Natur aus grimmig wirkend. Der vierte Mann im Raum hieß Dieter Knott. Er war der stellvertretende Verkehrsleiter. Beiden oblag die logistische Seite der Gipfel-Landungen, das VIP-Zelt, die Koordination der Presse und die protokollarische Seite. Sie standen in direkter Verbindung mit dem Auswärtigen Amt, wo man für die Geschichte, die Lavallier zu erzählen hatte, kaum mehr Begeisterung aufbringen würde als hier in diesem Büro.
Lavallier schloss seinen Bericht ab, legte die Fingerspitzen aufeinander und nickte bekräftigend.
»Das also sind die Neuigkeiten.«
Eine Atmosphäre des Unbehagens hatte sich ausgebreitet. Einen Moment lang sagte niemand etwas. Die Männer sahen auf ihre Füße oder in Lavalliers Augen, als erwarteten sie nach der Darlegung des Problems nun die Lösung.
»Unschön«, brummte Gombel. »Ich sagte doch, wir können nichts Ernstes gebrauchen.«
Klapdor räusperte sich.
»Was wissen wir über diesen O'Dea, was nicht in unseren Akten steht?«, fragte er.
Lavallier schüttelte den Kopf.
»Nichts.«
»Das ist nicht eben viel.«
»Ich schätze, Ryan O'Dea hat bis vor einem halben Jahr noch gar nicht existiert. Ich bin sogar sicher, dass er es bewusst vermieden hat, Freundschaften zu knüpfen. Beschäftigen müssen wir uns also mit Patrick Clohessy. Und das sieht gelinde gesagt nicht gut aus.«
»Sie sagten, er war bei der IRA …«
»Ja, richtig, bei der IRA«, unterbrach ihn Stankowski. »Na und? Machen wir nicht die Pferde scheu. Die IRA hat nie außerhalb der Britischen Inseln operiert.«
»Wie man's nimmt«, wandte Knott vorsichtig ein.
»Wieso?«
»Den Semtex-H-Plastiksprengstoff, mit dem sie Ende der Achtziger so gern rumspielten, hat ihnen zum Beispiel Gaddafi geschickt, für spezielle Dienste.«
»Ach, Gaddafi! Das ist über zehn Jahre her.«
»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen«, sagte Lavallier. »Wir haben heute Morgen schon die Frage erörtert, ob es die Landungen betrifft. Keine Ahnung, um ehrlich zu sein. Kommissar Bär hat so eine Theorie, wonach es sich um einen internen Clinch der Iren dreht.« Er zögerte. »Andererseits könnte man sich die Frage stellen, was ein IRA-Aktivist dort verloren hat, wo in Kürze Tony Blair landen wird.«
Verschiedentlich wurde scharf die Luft eingesogen.
»Das würden sie nicht wagen.« Knott schüttelte heftig den Kopf. »Nicht so kurz vor der Nordirland-Lösung.«
»Warum nicht?«, sagte Gombel. »Sie wollten auch Thatcher in die Luft sprengen, vierundachtzig in Brighton.«
»Das war eine andere Zeit.«
»Und Major ebenfalls.«
»Aber getan haben sie's dann doch nicht.«
»Vielleicht ist ihnen aufgegangen, dass sie den Engländern damit eine zu große Freude bereitet hätten. Aber Sie haben Recht. Blair ist ihr Garant für den Frieden, oder nicht?« Gombel sah Lavallier an. »Warum sollten sie Blair umpusten, wo sich die Wogen gerade glätten?«
»Das sehen Sie zu idealistisch«, sagte Lavallier. »Ich bin kein Irlandexperte, aber wenn die IRA ihrer Entwaffnung zustimmt und die Iren sich mit den Engländern einigen, zerschlägt sich eine Riesenorganisation. Sinn Fein, der legale Flügel, ist zerrissen, die IRA gespalten. Der harte extremistische Kern wird weiterkämpfen. Die meisten von ihnen sind hoffnungslos kriminalisiert, was sollen sie tun, wenn sich der Streit mit den Engländern erledigt hat? Ich meine, was tut der KGB, und der war immerhin legal? Es ist schon mehrfach passiert, dass IRA-Extremisten gemordet haben, einfach um einen Friedensprozess zu stoppen, der sie arbeitslos machen würde. Nicht alle in Irland wollen diesen Frieden. Glauben Sie im Ernst, wenn
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