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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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hintere Treppe hatten sich wenige Minuten zuvor Heerscharen von Agenten des Secret Service ergossen und waren zu den Fahrzeugen der Kolonne hinübergegangen. Der Repräsentant des Auswärtigen Amts hob gerade seine Stimme, und Gelächter brandete auf. Offenbar hatte er einen Witz gerissen.
    Die Atmosphäre war entspannt. Dennoch wusste Lavallier im selben Moment, als jemand im Funkgerät seinen Namen sagte, dass es nichts Gutes verhieß. Es war die falsche Stimme für gute Nachrichten: »Monsieur le Commissaire! He, Lavallier, bitte kommen.«
    Er riss das Funkgerät hoch und drückte auf Senden.
    »O'Connor, zum Teufel, was ist los? Wenn das wieder einer Ihrer Scherze ist –«
    »Ich mache keine Scherze«, quäkte O'Connors Stimme aus dem Funkgerät. »Wo ist Clinton?«
    »Was?«
    »Ist er schon ausgestiegen?«
    »Nein, er ist noch im Flieger. Was soll das, O'Connor?«
    Dumme Frage, dachte er im selben Moment. Du weißt genau, was es soll. Soeben passiert, wovor es dir am meisten gegraut hat.
    »Hören Sie mir genau zu«, sagte der Physiker. »Clinton darf nicht aussteigen. Ich habe keine Zeit für lange Erklärungen, wir sind auf dem Weg zu Ihnen. Achten Sie auf die Gebäude, die Clinton am nächsten sind. Hohe Gebäude, die höchsten. Suchen Sie nach Spiegeln.«
    »Was heißt, Sie sind auf dem Weg? Wovon reden Sie überhaupt?«
    Es knackte in dem Funkgerät, dann sagte die Stimme einer Frau:
    »Kommissar Lavallier, hier ist Polizeimeisterin Gerhard. Weisen Sie Ihre Leute an, uns durchzulassen. Wir sind an der Sperre West. Eiszeit 0.«
    Eiszeit.
    Lavallier war plötzlich, als vibriere der Boden unter seinen Füßen. Intuitiv erwanderte sein Blick die Fassade der Lärmschutzhalle.
    Eiszeit. Das Codewort für den Attentatsfall.
    Gerhard Schröder hatte Eiszeit 16. Toni Blair Eiszeit 5. Jacques Chirac Eiszeit 1.
    Bill Clinton hatte Eiszeit 0.
20.08 UHR. JANA
    Was immer es war, das den Präsidenten seit einer Viertelstunde daran hinderte, die Air Force One zu verlassen, es konnte nur zweierlei bedeuten.
    Entweder er war gewarnt.
    In diesem Fall hatte O'Connor gewonnen. Die Sicherheitsleute ließen Clinton nicht aussteigen, weil sie wussten, dass er im Innern der Maschine geschützt war. Was wiederum vermuten ließ, dass sie auch über die Art und Weise des Anschlags im Bilde waren. Andernfalls hätte die Air Force One längst schon das Weite gesucht.
    Oder sie hatten keine Ahnung.
    Dann allerdings erwies sich die Verspätung des Präsidenten als Segen. Mittlerweile hatten sich die Regenwolken verzogen. Spätes Sonnenlicht fiel schräg auf die Betonfläche und ließ sie warm erstrahlen.
    Idealbedingungen für den YAG.
    Janas Blick suchte das Vorfeld ab. Nichts deutete darauf hin, dass irgendjemand dort beunruhigt war. Die Herren vom Begrüßungskomitee übten sich in Geduld, sie standen beisammen und sahen hin und wieder hoch zur verschlossenen Tür im Rumpf der Air Force One. Währenddessen hatte das Abfertigungsteam damit begonnen, die Maschine zu entladen. Von jenseits der Lärmschutzhalle, wo das Vorfeld zum benachbarten GAT hin abgesperrt war, fuhren die ersten Fahrzeuge der Wagenkolonne mit der Präsidentenlimousine ein. Offenbar hatte die SI entsprechende Order erhalten. Lange konnte es nicht mehr dauern.
    Noch stand ihr frei, die Operation abzubrechen. Aber falls O'Connor sein Wissen hatte weitergeben können, war es ohnehin zu spät. Die SEKs hätten den Pressebereich längst geräumt. Sie hätten den Kontrollcontainer dichtgemacht, so dass niemand mehr rein und vor allem niemand raus konnte, und die Journalisten in den Zelten festgesetzt.
    Jana wusste, dass nach dem Attentat genau das passieren würde. Der Abend versprach lang zu werden. Es würde Stunden dauern, die Journalisten einzeln zu überprüfen. Auch Cordula Malik standen Leibesvisitation, Observierung des technischen Equipments, Überprüfung mit Rückfragen bei allen möglichen Stellen bevor, das ganze Procedere.
    Aber Cordula Malik war das Produkt hochprofessioneller Planung. Ihre Vita war absolut wasserdicht. Nicht einmal der Schatten eines Verdachts würde auf die zierliche Journalistin fallen.
    Sie wandte sich um. Weiter hinten standen die Türen des Containers unverändert offen.
20.09 UHR. O'CONNOR
    »Wir stecken fest«, sagte die Polizeimeisterin.
    »Lavallier«, rief O'Connor in das Mikro des Funkgeräts. »Wir kommen nicht weiter. Die verdammte Kolonne blockiert alles.«
    Er rutschte unruhig auf dem Beifahrersitz des Streifenwagens hin und

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