Lautlos
schienen. Der Schopf färbte sich rötlich. Feuer züngelte aus Clintons Kopfhaut empor, aber der Präsident lächelte tapfer weiter. Auf seiner Gesichtshaut bildeten sich schwarze Blasen. Im nächsten Moment schossen grelle Flammen aus Mund, Nase und Augen, und immer noch winkte die brennende Gestalt wie in extremer Zeitlupe.
Dann begann sie zu schreien.
Es war ein unirdisches, hohles Schreien, als vergehe in dem Inferno nicht ein Mensch, sondern etwas anderes. Schreiend, brennend und winkend begann der Präsident, die Gangway herabzuschreiten. Die Hitze, die von ihm ausging, fegte über das ganze Vorfeld hinweg, setzte die Zelte in Brand, Menschen, Hallen und Hangars, Fahrzeuge und Flugzeuge.
Dann explodierte er.
Sein Körper flog in tausend Stücken auseinander, und O'Connor schoss hoch, riss die Augen auf und starrte in das Gesicht eines sehr hübschen Polizisten.
»Der YAG«, sagte er.
Das Schreien erstarb. Es war überhaupt kein Schreien gewesen, sondern das Dröhnen von Düsentriebwerken, das sich rasch entfernte.
»Dr. O'Connor.« Der Polizist beugte sich vor. »Können Sie mich hören?«
Er trug eine schwarze Lederjacke und hatte kurze schwarze Haare. O'Connors Blick klärte sich, und der Polizist verwandelte sich in eine Polizistin.
»He! Sind Sie in Ordnung?«
O'Connor streckte eine Hand nach ihr aus. Sie ergriff seinen Arm. Mühsam zog er sich hoch und kam unsicher auf die Beine. Sein Rücken schmerzte, als habe man ihn stundenlang mit Knüppeln verdroschen.
Alles fiel ihm wieder ein.
»Wo ist Lavallier?«, stöhnte er. »Ich muss mit ihm reden, schnell!«
»Lavallier?« Die Polizistin runzelte die Stirn. »Er ist draußen auf dem Vorfeld. Was wollen Sie denn jetzt von Lavallier?«
O'Connor ließ ihren Arm los. Jetzt bemerkte er weitere Leute, Bauarbeiter, Sanitäter und einen zweiten Polizisten. Sie standen oder knieten um ihn herum und trugen alle dieselbe Mischung aus Ratlosigkeit und Bestürzung im Gesicht.
»Nur die Ruhe.« Einer der Sanitäter legte ihm besänftigend die Hand auf die Schulter. »Erst mal werden wir Sie verarzten, okay?«
»Kommen Sie um Himmels willen nicht auf die Idee, mich zu verarzten!« O'Connor schüttelte ihn ab. »Jedes Mal, wenn ich bisher zu einem Arzt gegangen bin, war ich hinterher drei Wochen krank.« Er packte das Geländer und trat einen Schritt vor. Sein Blick fiel in die Tiefe. Sofort begann sich alles um ihn herum zu drehen. Hastig stolperte er zurück und schaute auf seine Hände.
Aus mehreren Schnittwunden drang Blut. Hier und da hingen Mullbinden herunter. Der Sanitäter hatte offenbar angefangen, ihn zu verbinden.
»Wie viel Uhr ist es?«, keuchte er.
»Es ist acht«, sagte die Polizistin. »Warum wollen Sie das wissen?«
Acht Uhr!
O'Connor brauchte einen Moment, um zu begreifen. Dann drehte er sich ruckartig um und schaute über das alte Terminal hinweg in Richtung des Frachtflughafens. Sein Magen krampfte sich zusammen.
»Mein Gott«, flüsterte er.
»Dr. O'Connor!«
Er wandte ihr den Kopf wieder zu.
»Sie sind doch Dr. O'Connor?«
»Clinton«, sagte er beinahe flehentlich.
»Ja, klar.« Der Sanitäter begann zu grinsen. »Und ich bin Madeleine Albright. Wollen Sie jetzt bitte –«
»Er darf nicht aussteigen, hören Sie!« O'Connor sah hilfesuchend von einem zum andern, aber sie starrten ihn nur verständnislos an. »Er darf auf keinen Fall seine Maschine verlassen!« Unter Schmerzen begann er, auf die Leiter zuzuhumpeln, die nach unten führte. Die Polizistin stellte sich ihm in den Weg.
»Bill Clinton?«
»Ja, zum Teufel!«, explodierte O'Connor. »Verdammt, rede ich in Rätseln? Warum gehen Sie mir nicht aus dem Weg, wenn Sie schon nichts begreifen?«
Er packte sie bei den Schultern, um sie beiseite zu schieben. Im nächsten Moment fühlte er sich selbst im Klammergriff. Blitzschnell hatte sie den Arm um seinen Hals geschlungen und ihn gegen das Gitter gedrückt.
»Vorsicht, Freundchen«, sagte sie warnend. »Wir wollen doch hier keinen Aufstand machen. Erklären Sie mir lieber, was auf dem Dach los gewesen ist. Da unten liegt einer, der ist mausetot! Was habt ihr da oben getrieben?«
O'Connor hätte sie am liebsten im hohen Bogen vom Gerüst geschmissen und wäre ihr hinterhergesprungen, aber in seiner augenblicklichen Situation konnte er nur hoffen, nicht selbst hinuntergeworfen zu werden. Allmählich kehrte sein klares Denken zurück und damit die Erkenntnis, wie seine Worte auf die anderen wirken mussten.
»Ist ja
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