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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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her und spähte nach draußen. Hinter der Sperre konnte er deutlich den Rumpf der Air Force One sehen. Links vor ihnen lag riesig und zum Greifen nah die Lärmschutzhalle. Von dort zog sich die Sperre quer über das Vorfeld, umlagert von Polizei. Die Durchfahrt war geöffnet.
    Lavallier hatte im selben Moment Anweisung gegeben, den Wagen passieren zu lassen, als das erste Fahrzeug der Kolonne hindurchgefahren war, gefolgt von fünfundvierzig Vans und Limousinen. Die Hälfte der Kolonne stand jetzt auf dem Vorfeld Fracht West, die andere Hälfte wartete auf dem GAT.
    »Kommen Sie von der Ostseite rein«, sagte Lavallier. »Wir treffen uns am VIP-Zelt. Ich lege unterdessen hier alles lahm.«
    Die Polizistin legte den Rückwärtsgang ein. In hohem Tempo fuhren sie von der Sperre weg. Der Wagen drehte sich auf der Stelle, schoss in entgegengesetzter Richtung davon und beschrieb eine Kurve. O'Connor wurde in die Rückenlehne gedrückt. Er sah hinüber zur Lärmschutzhalle und zog das Funkgerät zu sich heran.
    »Sie haben keine Zeit, irgendwas lahmzulegen«, sagte er eindringlich. »Sie kämpfen gegen die Lichtgeschwindigkeit, Lavallier! Es sind kleine Spiegel von zehn bis zwanzig Zentimetern Durchmesser. Keine üblichen Spiegel, transparentes Glas wahrscheinlich. Wenn Sie einen zerstört haben, ist das ganze System zum Teufel, also schießen Sie die Dinger ab, bevor Sie sonst was machen!«
    »Wo?«, rief Lavallier. »Wo, O'Connor?«
    »An der Lärmschutzhalle.«
    »Da war nichts.«
    »Es muss einer da sein!«
    Der Wagen schlitterte mit quietschenden Reifen in die nächste Kurve. Plötzlich waren sie auf einer bemerkenswert breiten Straße und jagten in einigem Abstand an der Halle und der geparkten Air Force One vorbei. Wie es aussah, umfuhr die Polizistin das Vorfeld weiträumig. O'Connors Blick glitt über die Gebäude, die sich hinter der Halle erhoben.
    »Zweite Möglichkeit, der Tower«, sagte er schnell. »Oder das Gebäude davor, das große gelbe.«
    Er sah hinüber zu der Polizistin, die unerbittlich das Gaspedal durchdrückte.
    »So wie Sie fahren, heben wir gleich ab.«
    »Das wäre kein Problem«, erwiderte sie trocken. »Wir sind auf der Startbahn.«
20.09 UHR. AIR FORCE ONE
    »Das hat alles viel zu viel Zeit gekostet«, stellte Clinton fest.
    Er hatte sein Büro verlassen und war nach vorne gekommen, wo die Crew und die Bodyguards bereitstanden. Der Präsident sah großartig aus. Vielleicht machte er selbst in seinen schwärzesten Stunden noch die sprichwörtlich gute Figur, weil er sie tatsächlich besaß. Bill Clinton überragte die meisten Menschen, nicht unbedingt an Charakter, dafür aber an Statur und sichtbarer Würde. Der dunkle Anzug saß perfekt, die leuchtend blaue Krawatte schien den gleichen Optimismus und die unerschütterliche Zuversicht auszustrahlen wie das Gesicht darüber, an dessen ewiger Jugend auch der weiße Schopf nichts ändern konnte.
    Ein bisschen war Guterson stolz darauf, dass sein Präsident sich nicht die Haare färbte, wie es Reagan getan hatte, oder von der Aura eines Besenstiels umgeben war wie Bush.
    Das erste Mal seit langem war Clinton wieder uneingeschränkt guter Laune. Die Nato hatte den Krieg der Werte gewonnen. Im Nachhinein hätte ihm kaum etwas Besseres passieren können als Slobodan Milošević. Dem Bombengewitter über Belgrad war gewissermaßen auch eine kleine, dickliche Praktikantin zum Opfer gefallen. Die Stadt des Friedens hatte den roten Teppich ausgerollt, nicht nur für den Präsidenten der Vereinigten Staaten, sondern für den legitimierten Feldherrn der freien Welt. Es war eine unglückliche Fügung, dass die gute Laune des Präsidenten durch die Verspätung getrübt worden war.
    »Gut, Norman«, sagte Clinton. »Sind wir so weit?«
    Hinter ihm machten sich die Bodyguards bereit, die Air Force One zusammen mit dem Präsidenten zu verlassen. Guterson warf einen letzten Blick durch das kleine Fenster in der Tür und trat einen Schritt zurück.
    »Aufmachen«, sagte er.
20.09 UHR. LAVALLIER
    Der Tower. Das UPS-Gebäude. Die Lärmschutzhalle.
    Irgendwo schien eine Uhr zu ticken, um ihn mit jeder verstreichenden Sekunde daran zu erinnern, dass er nicht zwei Dinge gleichzeitig tun konnte.
    Lavallier starrte auf die Lärmschutzhalle.
    Er hätte beides gleichzeitig tun müssen, Lex Bescheid geben, der ein Stück weiter unter der Tragfläche stand, und die Scharfschützen anweisen. Fatalerweise ging es nicht zur gleichen Zeit. Also fiel die Entscheidung für die

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