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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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verdammten Pulle«, sagte sie und stakste ihm nach. Ihr Gang war bei weitem nicht so sicher wie seiner. Sie reckte den Oberkörper und versuchte, sich ihre motorischen Probleme nicht anmerken zu lassen.
    Er drehte sich um und grinste.
    »Sechzehn Jahre alter Lagavulin«, sagte er.
    »Mir ist egal, wie alt er ist. Gib schon her.«
    Sie setzte an und trank. Das Zeug war beißend und bei weitem nicht von der Lieblichkeit der Single Malts, die sie drinnen getrunken hatten. Dieser hier schmeckte medizinisch und nach Rauch. Sie musste husten und spürte, wie sich der Alkohol über den letzten Rest klaren Verstands legte.
    »Okay«, sagte O'Connor.
    »Was okay?«, keuchte sie.
    »Okay! Du hast gewonnen. Ich gehe schlafen. Dir zuliebe, damit du dir was drauf einbilden kannst. Fährst du wenigstens mit bis zum Hotel?«
    Nichts lieber als das, sagte eine stockbetrunkene Kika in ihrem Kopf und drehte sich übermütig im Kreis.
    »Meinetwegen«, räumte die andere auf der Straße ein. Sie hoffte, dass es einigermaßen unterkühlt geklungen hatte.
    »Wo finden wir ein Taxi?«
    »Da drüben.«
    Erneut drohte ihr Gleichgewichtssinn auszusetzen, und sie ging einen Schritt auf Distanz, um ihm keine Gelegenheit zu geben, ihren Arm zu ergreifen. Schweigend marschierten sie los. Was um alles in der Welt tust du hier, dachte sie. Du solltest aufpassen, dass sich der Mann benimmt, stattdessen fällst du mit ihm zusammen über eine Whiskybar her und spielst mit dem Gedanken, nach Shannonbridge auszuwandern.
    »Ich kann morgen Nachmittag sowieso nicht Boot fahren«, sagte O'Connor im Taxi. Wagner hatte ihn hinten einsteigen lassen, wo er sich breit machte wie eine Flunder. Selbst in die Polster geflegelt, mit offenem Hemd und gelockerter Krawatte, sah er besser angezogen aus als Menschen wie Kuhn in ihren erhabensten Momenten. »Wir müssen nach dem Golf noch mal zum Flughafen, Kika.«
    Wagner drehte den Kopf nach hinten.
    »Doch Shannonbridge?«
    »Wegen Paddy.«
    Paddy? Ach so.
    »Du hast tatsächlich jemanden da gesehen«, stellte sie fest. »Ich dachte, du nimmst uns bloß wieder hoch.«
    »Täte ich nie.« O'Connor schüttelte den Kopf. »Er ging leibhaftig an mir vorbei, zusammen mit einem anderen Burschen. Sie trugen Overalls wie Mechaniker oder Techniker. Er war kein Fluggast, und er ist einfach weitergegangen.«
    »Pi – Pa – Paddy«, sang Wagner. Wie hatte das Zeug geheißen? Lagairgendwas? »Vielleicht hat er dich nicht erkannt.«
    »Er hat sich mit dem anderen unterhalten. Möglich.«
    »Wer ist denn dieser Paddy überhaupt?«
    »Paddy Clohessy. Ich hab mit ihm studiert. Was für ein krummer Hund. Wir hatten jede Menge Spaß, aber er war immer schon ein bisschen aufrührerisch veranlagt. Eigentlich hätte ich erwartet, dass sie ihn in Ketten an mir vorbeiführen oder so was.«
    »Huh! Was hat er angestellt?«
    »Paddy? Ich weiß nicht. Wahrscheinlich nichts. Ich habe einfach vorausgesetzt, dass er irgendwann was anstellen würde. Er war so verdammt begabt und so erfrischend amoralisch.« O'Connor nahm einen Schluck aus der Flasche und stieß einen Laut des Unwillens aus. »Ärgerlich. Läuft einfach an mir vorbei. Das Letzte, was ich von ihm hörte, war, dass er sich nach Nordirland verzogen hat. Mir schien er ein Reißbrettrevoluzzer zu sein, von zweifelhafter politischer Gesinnung, aber harmlos. Am Ende pries er im grundanständigen Dublin etwas zu laut den Widerstand. Da haben sie ihn von der Uni geschmissen.«
    »So einer wie du, oder was?«
    »Wieso? Wer hat dir erzählt, sie hätten mich von der Uni geschmissen?«
    Halt den Schnabel, Kika.
    Der Wagen bog in die Einfahrt zum Maritim ein. Wagner fingerte nach ihrem Portemonnaie, aber O'Connor kam ihr zuvor. Ihr Gesicht fühlte sich dick und taub an wie nach einer Zahnarztspritze. Dafür war ihr nach Fliegen. Während sie ihre Handtasche um und um drehte im Bemühen, sie zu schließen, bevor alles rausfiel, war O'Connor mit bemerkenswerter Schnelligkeit draußen und schaffte es, ihr die Wagentür zu öffnen.
    »Sehr wohl erzogen, Dr. O'Connor«, hörte sie sich trällern.
    »Ein Vergnügen, gnädige Frau. Soll ich eine Leiter holen, damit Sie nicht springen müssen?«
    Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu und hoffte inständig, ohne seine Hilfe aus dem Taxi zu kommen. Der Wagen schien sie in sich hineinzusaugen. Ihre Rechte umfasste den Fensterholm. Mit aller Kraft stemmte sie sich heraus und stellte fest, dass es viel leichter ging, als sie gedacht hatte. Um ein Haar

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