Lautlos
ersten Stühle hochgestellt wurden, leerte sie auch noch die Karaffe mit dem Quellwasser, das eigentlich vorgesehen war, um es mit den Single Malts zu vermischen, die beständig ihren Weg auf den Tresen fanden. Sie rutschte von ihrem Hocker, ging auf die Toilette, spritzte Wasser in ihr Gesicht und betrachtete sich so lange im Spiegel, bis sie allmählich zu sich zurückfand. Betrunken war sie immer noch, aber ihr Hirn arbeitete wieder.
Schön bis hierhin, dachte sie. Jetzt mach das Richtige und bring den verdammten Säufer ins Bett, bevor er doch noch in das nächste Flugzeug steigt.
Sie kehrte zurück an die Bar und stellte fest, dass die Truppe samt O'Connor verschwunden war. Was das Wasser nicht geschafft hatte, besorgte der Schock. Schlagartig wurde sie nüchtern.
»So ein Scheißkerl«, zischte sie.
Mit knallenden Absätzen lief sie hinaus auf die Straße und schaute sich um. Das Päffgen hatte zu. Im Klein Köln ging es jetzt hoch her. Wenn sie ihn da nicht fand, hatte sie verloren.
»Ki-Ka«, sagte jemand.
Sie fuhr herum. O'Connor lehnte an einer der Säulen, die das Vordach des Pubs abstützten. In der Rechten hielt er eine halbvolle Flasche.
»Du siehst erleichtert aus«, sagte er.
Einen Moment lang war sie versucht, ihm eine zu scheuern. Dann begann sie zu kichern. Der Rausch kehrte zurück.
»Ich dachte, Sie hätten sich aus dem Staub gemacht, Liam.« Sie machte einen Schritt auf ihn zu und knickte leicht ein. »Sie können einem den letzten Nerv rauben.«
Ihr Verstand arbeitete präzise. Warum schienen dann die Worte in ihrem Mund durcheinander zu purzeln, bevor sie ihn verließen?
Und seit wann duzten sie sich?
O'Connor wies mit der Flasche die Straße hinunter.
»Angela und Donovan sind weg. Mit dem Boot zur Insel.
Aber Scott und Mary meinten, sie würden uns irgendwo erwarten, wo man noch was kriegt. Gibt es hier ein ›Pink Schampain‹ oder so was?«
»Ja«, sagte Wagner. »Aber nicht für Sie.«
O'Connor nickte. »Ich hatte so was in der Art erwartet. Du bist und bleibst eine Spielverderberin, Kika.«
»Bin ich nicht!«, sagte sie gekränkt. »Ich bin vernünftig, das ist alles.«
O'Connor entkorkte die Flasche. »Wenn du eines Tages den Deckel über dir zuziehst, kannst du vernünftig sein, Frau Wagner. Du weißt doch, die größten Fehler sind die, die man nie gemacht hat. Also, was ist?«
»Du willst unbedingt Ärger haben, stimmt's?«
»Ärger ohne Ende.«
»Hör zu, Liam. Ich schleife dich eigenhändig auf diesen Golfplatz, kapiert? Meinetwegen gehen wir jetzt ins ›Pink Champaign‹, aber wenn ich morgen ein Wort des Jammers höre, bist du geliefert.«
»Bah. Wie viel Uhr ist es überhaupt?«
»Kurz nach drei.«
Er gab sich den Anschein, als müsse er nachdenken, aber Wagner ahnte, dass er wieder eines seiner Spiele mit ihr trieb.
»Um dir gleich zuvorzukommen«, sagte sie. »Du kannst da auch allein hin. Ich habe nämlich gerade beschlossen, nach Hause zu fahren.«
»Und die hier?« Er schwenkte die Flasche.
»Was soll damit sein?«
O'Connor stieß sich von der Säule ab und kam zu ihr herüber. Einen Moment lang stand er so nah vor ihr, dass seine Augen sie aufzufressen schienen. Sie spürte seinen Atem. Er war wenige Zentimeter kleiner als sie, aber irgendwie schaffte er es, den Eindruck zu vermitteln, als sehe er zu ihr herab.
»Ich würde mich eventuell bereit erklären …«, begann er.
Sie fühlte, wie ihr Herz in den Hals drängte.
»Nein«, sagte sie so ruhig wie möglich. »Ich würde mich eventuell bereit erklären. Damit du den Weg ins Hotel findest und ich dich morgen nicht in irgendeiner Absteige auflesen muss. Falls du aber unbedingt noch um die Häuser ziehen willst, fahre ich jetzt zu meinen Eltern und lasse dich hier stehen.«
O'Connor schniefte. Dann reichte er ihr die Flasche.
»Trink was.«
»Ich will nichts mehr trinken.«
»Schade. In den letzten Stunden war ich zu der Überzeugung gelangt, dass du so interessant bist, wie du aussiehst.«
»Du hast eine reichlich miese Art, Komplimente zu machen.«
O'Connor zuckte die Achseln. Er schob den Korken wieder in den Flaschenhals und ging ein paar Schritte von ihr weg. Plötzlich empfand sie den Gedanken, er könne die Stadt ohne sie unsicher machen, wie einen Verlust. Warum hatte sie ihn nicht einfach so kennen lernen können, ohne die dämlichen Verpflichtungen, die sie zwangen, ihn wohlbehalten bei Leuten abzuliefern, deren Eitelkeit er schmeichelte.
»Gib mir einen Schluck aus der
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