Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten
Euch unterhalten, bis Ihr meine Schritte im Vorzimmer hört. Dann müssen alle still sein, bis ich durch den Kamin wieder hinaufgestiegen bin. Vielleicht wirst Du meine Schritte gar nicht hören; in diesem Fall kannst Du ab und zu einen Blick durch die Esszimmertür werfen, und schon bald wirst Du Deine Bestellung direkt unter dem Klavier im Salon finden – denn ich werde sie dort hinlegen. Wenn ich ein bisschen Schnee im Vorzimmer zurücklasse, musst Du George bitten, ihn in den Kamin zu fegen, da ich für so etwas keine Zeit habe. George soll aber nicht den Besen nehmen, sondern einen Putzlappen – andernfalls wird er eines Tages sterben. Du musst auf George aufpassen, damit er nicht in Gefahr gerät.Falls meine Stiefel Spuren auf dem Marmor hinterlassen, darf George sie nicht wegschrubben. Lasst sie zum Andenken meines Besuchs da, wo sie sind; und wann immer Du sie anschaust oder jemandem zeigst, sollen sie Dich daran erinnern, ein braves kleines Mädchen zu sein. Aber was wirst Du sagen, wenn Du unartig warst und jemand auf den Stiefelabdruck Deines guten alten Weihnachtsmanns auf dem Marmor zeigt, kleiner Schatz?
Auf Wiedersehen, bis in ein paar Minuten. Dann komm ich zur Erde herunter und klingel an der Küchentür.
Alles Liebe,
Dein Weihnachtsmann,
der manchmal auch »der Mann im Mond«
genannt wird.
In jenem angenehmen Pariser Haus hielt Mrs. Clemens ein- oder zweimal in der Woche kleine Abendgesellschaften ab, und es versteht sich von selbst, dass unter diesen Umständen meine Charakterfehler reichlich Gelegenheit hatten, sich bemerkbar zu machen. Sobald die Gäste das Haus verlassen hatten, wusste ich unweigerlich, dass ich mich wieder einmal danebenbenommen hatten. Mrs. Clemens zählte verschiedene Dinge auf, die ich getan hatte und nicht hätte tun dürfen, und stets konnte sie sagen:
»Ich hab’s dir wieder und wieder gesagt, aber du tust es jedes Mal, als hätte ich dich nie gewarnt.«
Die Kinder blieben immer auf, um in den Genuss zu kommen, dieses Gespräch mit anzuhören. Nichts ergötzte sie mehr, nichts entzückte sie mehr, nichts befriedigte ihre Seelen mehr, als mich so in die Mangel genommen zu sehen. Sobald wir die Treppe hinaufstiegen, hörten wir hastiges Getrappel und wussten, dass die Kinder uns wieder einmal belauscht hatten. Sie hatten einen Namen für diese Vorstellung. Sie nannten sie »Papa herunterputzen«. Normalerweise waren sie folgsame junge Rabauken, durch Gewohnheit, durch Erziehung, durch lange Erfahrung; doch hier überschritten sie die Grenze. Sie konnten nicht davon abgehalten werden, in Hörweite zu bleiben, wenn ich heruntergeputzt wurde.
Schließlich hatte ich eine Eingebung. Es ist erstaunlich, dass ich nicht schon früher darauf gekommen war. Ich sagte:
»Livy, weißt du, mich nach all diesen Abenden herunterzuputzen ist keine kluge Vorgehensweise. Du könntest mich ein ganzes Jahr lang nach jedem Dinner herunterputzen, und doch werde ich bei jedem darauffolgenden Dinner die gleichen verbotenen Dinge tun, als hättest du kein Wort gesagt, denn in der Zwischenzeit wären mir alle deine Anweisungen längst entfallen. Ich glaube, du solltest mich lieber unmittelbar vor dem Eintreffen der Gäste herunterputzen, dann kann ich einiges davon im Kopf behalten und es auch berücksichtigen.«
Sie gab zu, dass das vernünftig war und eine sehr guteIdee. Dann gingen wir daran, ein System von Signalen auszuarbeiten, die sie mir während des Dinners geben könnte; Signalen, die mir deutlich anzeigten, welches besondere Verbrechen ich gerade verübte, damit ich zu einem anderen übergehen konnte. Allem Anschein nach hatte eine der diebischsten Freuden der Kinder ein Ende gefunden und war aus ihrem Leben verschwunden. Jedenfalls nahm ich das an, aber dem war nicht so. Die jungen unbelehrbaren Dinger stellten einen Wandschirm auf, hinter dem sie sich während des Dinners versteckten, um nach Signalen zu horchen und sich darüber zu amüsieren. Das Signalsystem war einfach, aber wirkungsvoll. War Mrs. Clemens einmal zu sehr damit beschäftigt, sich mit ihrem Sitznachbarn zu unterhalten, und übersah, was ich gerade tat, konnte sie sicher sein, von den Kindern hinter dem Wandschirm einen leisen Wink zu erhalten:
»Blaue Karte, Mama«; oder »rote Karte, Mama« – »grüne Karte, Mama«, so dass ich unter doppelter und dreifacher Bewachung stand. Was den Augen der Mutter entging, entdeckten die Kinder.
Wie gesagt, die Signale waren recht einfach, aber äußerst
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