Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten
wirkungsvoll. Auf einen Hinweis der Kinder hinter dem Wandschirm blickte Livy über den Tisch und sagte mit interessierter Stimme, wenn nicht gar mit geheuchelter Sorge: »Was hast du mit der blauen Karte gemacht, die auf der Frisierkommode lag –«
Das genügte. Ich wusste, was vor sich ging – dass ich dieDame zu meiner Rechten totquatschte und der Dame zu meiner Linken nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte. Die blaue Karte besagte: »Gönne der Dame zu deiner Rechten eine Feuerpause; attackiere die Dame zu deiner Linken«, so dass ich unverzüglich dazu überging, mich energisch mit der Dame zu meiner Linken zu unterhalten. Es dauerte nicht lange, bis ein anderer Wink erging, gefolgt von einer Bemerkung von Mrs. Clemens, die sich scheinbar beiläufig auf eine rote Karte bezog, was bedeutete: »Oh, willst du etwa den ganzen Abend dasitzen und kein Wort von dir geben? Wach auf und unterhalte dich endlich.« Also erwachte ich und flutete den Tisch mit meinem Redeschwall. Wir verwendeten eine Reihe verschiedenfarbiger Karten, deren jede eine bestimmte Bedeutung hatte und meine Aufmerksamkeit auf das eine oder andere Verbrechen in meinem Sündenregister lenkte; ein überaus nützliches System. Es war ganz und gar erfolgreich. Es war wie Buck Fanshaws Unruhen – es unterdrückte die Unruhen, bevor sie richtig losgehen konnten. Während des Dinners verhinderte es ein Verbrechen ums andere, und am Ende ging ich immer als strahlender Sieger hervor und wurde mit wohlverdientem Lob bedacht, das ich jedes Mal auf der Stelle erhielt.
Arbeit,
die man Vergnügen nennt
Heute habe ich den ganzen Tag im Bett gelegen, ich rechne damit, auch morgen den ganzen Tag im Bett zu liegen, und werde den Rest des Jahres den ganzen Tag im Bett liegen. Nichts ist so erfrischend, nichts ist so behaglich, und nichts bereitet einen so gut auf die Art von Arbeit vor, die man Vergnügen nennt.
Unrentabel verrichtete Arbeit wird immer schlechter und ist alsbald nichts mehr wert, und die Kunden sind folglich gezwungen, sich nach Anbietern umzutun, die die Arbeit besser erledigen, auch wenn sie höhere Preise dafür verlangen.
Was einen innerlich am meisten beschäftigt , sollte das sein, worüber man redet oder schreibt.
Eine Erzählung sollte fließen, so wie ein Bach durch Hügel und Laubwälder fließt; mit jedem Felsen, auf den er trifft, und mit jedem grasbewachsenen, kiesigen Vorsprung, der in seinen Weg ragt, verändert sich sein Lauf; der Wasserspiegelzerbricht, indes halten Felsen und Geröll auf dem Grund der Untiefen seinen Lauf nicht auf; ein Bach, der nicht eine Minute lang gerade verläuft, der aber läuft , und zwar schnell läuft, manchmal ungrammatisch, der manchmal eine Dreiviertelmeile ein Hufeisen mit sich führt und am Ende seines Kreislaufs nur einen Meter weit von dem Bett entfernt fließt, das er eine Stunde zuvor durchlaufen hat; immer aber läuft er, und immer folgt er wenigstens einem Gesetz, bleibt diesem Gesetz treu, dem Gesetz der Erzählung , die kein Gesetz kennt . Es bleibt nichts anderes zu tun, als die Reise zu unternehmen; nicht das Wie ist wichtig, sondern dass die Reise unternommen wird.
Die Leute lesen unsere Bücher nicht wirklich, sie behaupten es nur, damit unsereins sich nicht schlecht fühlt.
»Klassiker« – ein Buch, das die Leute rühmen und nicht lesen.
Wenn Frauen Romane lesen, überspringen sie gewöhnlich das Wetter, aber mir ist aufgefallen, dass sie alles, was ein Schriftsteller über Einrichtung, Raumgestaltung, Komfort und den allgemeinen Stil eines Heims schreibt, gierig verschlingen.Vor guter Rechtschreibung hatte ich noch nie sonderlich Respekt. So empfinde ich auch heute noch. Bevor das Rechtschreibbuch mit seinen willkürlichen Schreibweisen herauskam, offenbarten die Menschen durch ihre Rechtschreibung unbewusst Nuancen ihres Charakters und fügten dem Geschriebenen auch erhellende Nuancen des Ausdrucks hinzu, und so ist das Rechtschreibbuch möglicherweise von zweifelhaftem Wert für uns.
Literatur ist eine Kunst , keine Inspiration. Sie ist sozusagen ein Handwerk , das erlernt werden muss – man kann es nicht einfach »auflesen«. Man kann es auch nicht in einem Jahr oder in fünf Jahren lernen. Sein Kapital ist Erfahrung . […] Sobald Sie sich außerhalb Ihrer eigenen Erfahrungen wagen, sind Sie in Gefahr – tun Sie das nie.
Eine allgemeine Erwiderung
Als ich sechzehn oder siebzehn Jahre alt war, kam mir eine glänzende Idee – eine ganz neue, die noch niemandem zuvor
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