LaVyrle Spencer
Verlegen suchte sie nach
Worten.
»Ich kann mir richtig vorstellen,
wie Herren mit schwarzen Capes und Damen in Pelzmänteln in Pferdeschlitten vor
dem Haus vorfahren.«
»Ja, Mutter hat sich wieder einmal
selbst übertroffen.« Dann gingen sie in den Salon zu den anderen.
Die gewohnt herzliche Atmosphäre in
dem Haus hatte jetzt zur Weihnachtszeit einen zusätzlichen Zauber. Tannenzweige
schmückten das Geländer der Treppe, und ihr würziger Duft vermischte sich mit dem
köstlichen Aroma, das aus der Küche kam. Rote Kerzen in Stechpalmengestecken
zierten die Tische und den Kaminsims im Arbeitszimmer. Im Erker des Salons
stand ein riesiger Weihnachtsbaum, dessen bunte Lichter hell funkelten. Unter
dem Baum häuften sich die Geschenke. Stimmengewirr und fröhliches Gelächter
schwirrten durch den Salon. Angelas perlendes Lachen ertönte aus dem
Speisezimmer, wo sie Eierflip ausschenkte. In ihrem lavendelfarbenen
Velourskleid sah sie selbst aus wie ein schön verpacktes Weihnachtsgeschenk.
»Catherine, Liebling!« rief sie
erfreut und kam sofort zu ihnen. »Und Clay!« Ihre melodische Stimme vibrierte
im Überschwang ihrer Gefühle, aber Clay machte ein verletztes Gesicht.
»Früher
hieß es zuerst > Clay, Liebling < und dann > Catherine, Liebling < . Ich
scheine in deiner Gunst gesunken zu sein.« Angela gab ihm einen spielerischen
Klaps auf die Wange, küßte jedoch Catherine zuerst und dann ihn mitten auf den
Mund.
»Da. Hast
du darauf gewartet?«
Sie warf einen bedeutsamen Blick auf
den Mistelzweig, der über ihren Köpfen hing. »Als ob du das nicht wüßtest«,
neckte ihn Angela. »Er hängt jedes Jahr da.«
Clay ging auf ihr Spiel ein und wich
scheinbar erschreckt zurück, während Angela lachend Catherines Arm nahm und sie
zum Tisch mit dem Eierflip führte. Dort wurde sie von Claiborne herzlich
willkommen geheißen.
Es läutete unaufhörlich an der Tür,
bis der Salon von Menschen wimmelte. Catherine blickte zur Decke und sah
überall Mistelzweige hängen. Jemand gratulierte ihr zur Schwangerschaft, und
sie verdrängte den Gedanken an die Mistelzweige. Aber alle anderen machten
davon ausgiebig Gebrauch. Sie war von Menschen umgeben, die einander bei jeder
Gelegenheit küßten, was die ausgelassene Stimmung noch steigerte. Aber
Catherine mied diese Zweige beharrlich.
Das Dinner war auf einem langen
Büffet angerichtet und bestand aus dem obligatorischen Plumpudding, der auf
einem Silbertablett aus der Küche hereingetragen wurde. In diesem Augenblick
erwischte Großvater Elgin Inella unter dem Mistelzweig der Küchentür und küßte
sie herzhaft. Catherine sah lachend zu, wie der kleine, vogelähnliche Großvater
Elgin das Dienstmädchen umarmte. Da fühlte Catherine jemanden hinter ihrem
Rücken, und als sie sich umdrehte, blickte sie in Clays lächelndes Gesicht. Er
hob die Augen bedeutungsvoll zur Decke über ihrem Kopf, wo ebenfalls ein
Mistelzweig hing.
»Sei auf der Hut. Du wirst Großvater
Elgins nächstes Opfer sein.«
Schnell trat sie beiseite. »Von
deinem Großvater hätte ich das nicht erwartet«, sagte sie amüsiert.
»Weihnachten spielen hier alle ein
wenig verrückt. So war es schon immer.«
»Das kann
man wohl sagen«, bestätigte Clays Vater, der gerade hinzukam. »Hast du etwas
dagegen, Mister Forrester Junior, wenn Mister Forrester Senior deine Frau küßt,
solange sie an diesem vorteilhaften Platz unter dem Mistelzweig steht?«
Catherine stand zwar nicht mehr
darunter, wich aber noch einen Schritt zurück. »Ich habe nicht ...«
»Keineswegs,
Mrs. Forrester.«
Claiborne gab ihr einen herzhaften
Kuß, hielt sie dann auf Armeslänge von sich und sagte: »Heute abend bist du
noch hübscher als gewöhnlich, meine Liebe.« Er legte einen Arm um ihre
Schultern und den anderen um Clays und sagte: »Ich kann mich an kein
glücklicheres Weihnachtsfest erinnern.«
»Wird es nicht ein wenig vom Genuß des
Eierflips vergoldet?« neckte Clay seinen Vater.
»Mag sein«, gab dieser mit einem
fröhlichen Augenzwinkern zu.
Catherine und Clay fanden eine Ecke,
in der sie ihren Plumpudding verspeisten. Sie hatten einander wenig zu sagen,
obwohl sie des öfteren Clays Blicke auf sich ruhen fühlte. Bald scharte Angela
ihre Gäste um sich im Salon und begann auf dem Klavier Weihnachtslieder zu
spielen, die von den Kindern mehr oder weniger mißtönend gesungen wurden. In
das abschließende Lied »Stille Nacht, Heilige Nacht« stimmten alle ein.
Claiborne stand hinter Angela. Als sie
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