Leaving Paradise (German Edition)
…« Die Liste scheint endlos.
Ich stehe neben Brian. »Das ist Folter, Mann.«
»Da sagst du was«, erwidert er.
Aber als Trainer Wenner aufs Podium geht, üben die Jungs der Paradise Ringermannschaft sich mitnichten in vornehmer Zurückhaltung. Hinter mir brüllen sie los: »Wee-ner! Wee-ner!«
Die Jungs betonen den Namen des Trainers absichtlich falsch. Ich wette Wenner überlegt schon, wie viele Extra-Gewichte er das Team dafür stemmen lassen wird.
Der Rest der Schule stimmt ein, selbst als die Lehrer versuchen, dem Gesang ein Ende zu setzen.
»Wee-ner! Wee-ner!«
»Okay, ha, ha, sehr witzig. Ihr hattet euren Spaß, jetzt lasst uns zur Sache kommen«, sagt der Trainer. »Andy Abrams, Caleb Becker, Adrian Cho, David Grant …«
Obwohl unsere Schule klein ist, dauert es eine Weile, bis wir mit allen Namen durch sind.
Nach über einer Stunde, die wir in der heißen Turnhalle eingepfercht sind, kehrt Meyer endlich ans Mikro zurück und entlässt uns in die sechste Stunde. Auf dem Weg nach draußen herrscht ein furchtbares Gedränge. Alle anderen sind genauso wild wie ich darauf, hier wegzukommen. Aber ich lasse mich zurückfallen.
Ich suche die Tribüne ab. Meine Schwester hält den Kopf gesenkt, außer den Stufen nimmt sie nichts wahr. Maggie steht in der Menge, die sich langsam nach draußen schiebt. Sie sieht so zerbrechlich aus wie ein Vogel inmitten einer Elefantenherde.
Es wird gestoßen und geschubst. Zwei Juniors fangen eine Prügelei an. Und zwar genau dort, wo Maggie steht. »Maggie, pass auf!«, brülle ich, aber sie hört mich nicht. Sie bemerkt die Unruhe hinter sich nicht und ich schaffe es nicht, rechtzeitig bei ihr zu sein. Ein Typ wird in Maggie hineingeschubst, die über zwei Stufen stolpert, fällt und auf den Knien landet.
»Maggie!«, schreie ich, stoße Leute aus dem Weg, um zu ihr zu gelangen. Als ich endlich bei ihr bin, knie ich mich neben sie. »Maggie, bist du okay?«
Sie blinzelt, sieht aus, als müsste sie sich jeden Moment übergeben, und setzt sich auf.
»Mag-gie, Mag-gie, Mag-gie«, beginnt die Menge zu johlen.
Ich gucke hoch in die Meute und brülle: »Haltet verdammt noch mal das Maul!«, aber niemand hört auf mich. Ich packe Maggies Ellbogen. Sie versucht, ihn mir zu entziehen, aber ich halte ihn fest. »Alles okay mit dir?«, frage ich, als sie schließlich steht. Die meisten Leute haben aufgehört, ihren Namen zu johlen, aber ein paar Arschlöcher haben immer noch nichts Besseres zu tun.
Drew fasst mich an der Schulter und zieht mich zurück. »Caleb, wieso hilfst du ihr? Die Schlampe ist daran schuld, dass du ins Gefängnis musstest.«
Ich balle meine Hand zu einer Faust und lasse sie mitten in Drews Gesicht sausen. Er stürzt sich auf mich und wir ringen miteinander, die Fäuste fliegen, bis Wenner und ein andere Trainer uns trennen.
»Wo ist Maggie?«, frage ich.
Wenner sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Bei der Krankenschwester.«
»Ich muss zu ihr.«
»Du musst nur ins Zimmer des Direktors, Becker. Was ist bloß los mit dir?«
Ich werde in Meyers Büro gebracht. Ich habe gar keine andere Wahl, da Wenner meine Handgelenke hinter meinem Rücken zusammenhält. »Warte hier auf Mr Meyer«, weist der Trainer mich an.
Aber sobald er das Büro verlassen hat, springe ich über den Empfangstresen und öffne die Tür zum Krankenzimmer. Maggies Hose ist bis über die Knie hochgerollt.
Mein Blick fällt sofort auf ihre Narben.
Dort, wo die Ärzte sie zusammengenäht haben müssen, ziehen sich wütende rosa Linien über ihr Bein, als hätte ein wildes Tier sie mit seinen Krallen attackiert.
An ihrem Knie, wo die schlimmsten Narben sind, scheint Haut verpflanzt worden zu sein, denn sie ist dort dunkler und passt nicht zum Rest ihrer weichen elfenbeinfarbenen Haut.
Ich löse meinen Blick von ihrem Bein und sehe sie an. »Es tut mir so leid, Maggie«, sage ich.
Ihre Miene ist verbittert, ihr Blick umwölkt. »Hau ab, Caleb. Oder willst du ein Foto machen, das du Kendra zeigen kannst? Dann hättet ihr beide noch etwas, worüber ihr lachen könntet.«
40 Maggie
Caleb weiß nicht mal, dass Mrs Reynolds tot ist. Als ich ihm heute Morgen auf dem Gang begegnet bin, wollte ich es ihm erzählen. Aber dann habe ich Caleb und Kendra zusammen erwischt. Ehe wir eine Beziehung hatten, konnte ich es verstehen. Aber ich war davon ausgegangen, er hätte mich so gern, dass er niemand anderen brauchte. Ich dachte, was wir hätten, sei echt. Bäh. Ich
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