Leaving Paradise (German Edition)
will nicht an Kendra Greene und ihr perfektes blondes Haar und ihre perfekten Brüste denken oder an ihren perfekten Gang.
Aber ich kann nicht anders.
Weil ich nicht perfekt bin.
Dass ich im Zimmer der Krankenschwester sitze, beweist es. Und seit dem Moment, als Caleb wie angewurzelt dastand und die Narben auf meinem Bein anstarrte, wollte ich nur eines: weg hier. »Darf ich jetzt zurück in den Unterricht?«
Die Schulkrankenschwester steht über mein Bein gebeugt da und untersucht es. Ihre Hände stecken in Latexhandschuhen. Sie sieht hoch. »Tut es weh?«
Meinen Sie mein Herz? »Nein, gar nicht«, sage ich. »Ehrlich.«
»Es blutet ein bisschen. Ich mache mir Sorgen, dass es innere Verletzungen geben könnte.«
»Es ist nur ein kleiner Kratzer«, sage ich, während die Frau ein Antiseptikum auf einen Wattebausch träufelt und das Blut von meinem Knie wischt. »Viel Lärm um nichts.«
Ich weiß, wieso Caleb zu mir gelaufen kam und so besorgt getan hat. Es war, weil er Schuldgefühle hatte, dass ich Einzelheiten über seine Beziehung zu Kendra mitbekommen habe. Drew hat nur die Wahrheit gesagt, dass ich ihm das Gefängnis beschert habe. Caleb und ich hätten nie anfangen dürfen, uns zu unterhalten. Wir hätten uns in Mrs Reynolds’ Haus weiter ignorieren sollen.
Denn wenn wir uns nicht unterhalten hätten, würde ich jetzt nicht diese Verbindung zu ihm spüren.
Wenn wir uns nicht unterhalten hätten, hätte ich ihn nie geküsst und mich nach mehr gesehnt. Ich hätte nicht zugelassen, dass er mich manipuliert.
Schwester Sandusky sieht nicht besonders glücklich aus, als ich von ihrem Behandlungstisch rutsche und vorsichtig mein Hosenbein runterkremple. Aber ich werde nicht den ganzen Tag hier rumsitzen und schmollen. Ich werde aufstehen und mich behaupten – gegenüber Caleb, Drew, Kendra … und jedem anderen, der beschlossen hat, sich mir in den Weg zu stellen.
Als ich angezogen bin, atme ich erleichtert auf. Meine Narben sind bedeckt. Also warum fühle ich mich dann so entblößt? Weil Caleb die Narben der Wunden gesehen hat. Wunden, die er mir beigebracht hat.
Die ewigen Narben, die mich jeden Tag meines Lebens an ihn und den Unfall erinnern werden.
Blöderweise muss ich auf dem Weg nach draußen an Meyers Zimmer vorbei. Caleb sitzt vor dem Sekretariatstresen, den Kopf in den Händen vergraben.
Als sei ihm bewusst, dass ich ihn beobachte, hebt er den Kopf. Sein Blick saugt sich an meinem fest, als suche er dort nach Wärme oder Einvernehmen. Hält er mich für eine dumme Gans, die nach Demütigung lechzt? Ich wende den Blick ab, warte darauf, dass die Krankenschwester mir einen Zettel schreibt, und verlasse das Sekretariat so schnell ich kann.
Als wäre der Tag nicht schon schlimm genug, kommen jetzt auch noch Kendra und Hannah den Schulflur entlang. Sie haben mich noch nicht bemerkt. Ich husche in die Mädchentoilette … Für heute reicht es mir.
Ich betrachte mich im Spiegel. Langweilige haselnussbraune Augen, Haare, die sich nicht entscheiden können, ob sie hell oder dunkel sein wollen, und eine Nase, die zu groß für mein Gesicht ist. Und um diesen Schönheitsfehlern noch die Krone aufzusetzen, hinke ich außerdem.
Wie habe ich je glauben können, ich könnte mit der perfekten Kendra Greene konkurrieren?
Die Toilettentür geht auf. Ich verstecke mich rasch in einer der Kabinen und kurz darauf höre ich Kendra sagen: »Ich kann mir die beiden nicht beim Küssen vorstellen. Du etwa?«
»Igitt, Kend, sei nicht so widerlich. Caleb ist so was wie der raue Hollywoodtyp und Maggie ist ne verklemmte Loserin. Sie küsst wahrscheinlich mit zusammengepressten Lippen und behält die Hände an den Seiten.«
»Genau. Du hättest sie heute Morgen sehen sollen. Ich dachte schon, sie heult mitten im Gang los.«
Die beiden lachen.
Ich möchte sterben. Vergesst das mit dem Mich-Behaupten, tief in meinem Inneren bin ich wirklich eine Loserin und ein Feigling.
Ich luge durch den Spalt zwischen Tür und Kabine. Hannah legt Lippenstift auf, während Kendra mit ihren dicken blonden Haaren spielt.
»Er wird dich ewig lieben. Ihr zwei seid für immer miteinander verbunden«, sagt Hannah.
Kendra hört auf, mit ihrem Haar zu spielen, und lehnt sich an eins der Waschbecken. »Caleb hat Brian gesagt, er sei an Maggie interessiert, um ihn auf eine falsche Fährte zu locken.«
»Wieso Maggie? Ist sie nicht die Letzte, die ihn interessieren sollte? Schließlich hat er sie mit seinem Auto angefahren. Und sie
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