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Leaving Paradise (German Edition)

Leaving Paradise (German Edition)

Titel: Leaving Paradise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Elkeles
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Mitleid.«
    Ich bin sicher, er hatte Mitleid, aber was wir miteinander geteilt haben, ging weit darüber hinaus. »Ich würde nicht so verächtlich gucken, wenn ich du wäre«, sage ich zu Kendra. »Es steht dir nicht gut zu Gesicht.«
    Meine Cousine wendet sich mir zu. »Caleb? Du hast was mit Caleb? Ist das tatsächlich wahr?«
    Ich nicke.
    »Der Caleb Becker? Leah Beckers Bruder, Caleb Becker?«
    Ich neige den Kopf zur Seite und nicke wieder.
    Sabrina klappt die Kinnlade herunter und ihre Augen werden groß.
    Die Erkenntnis erfasst mich wie eine gewaltige Welle. Caleb hatte die ganze Zeit über recht. Nach Spanien zu gehen wäre feige – es wäre eine Möglichkeit, vor allen Leuten zu fliehen und den Unfall für eine Weile zu vergessen. Aber der Unfall ist passiert. Das werde ich niemals vergessen können. Und ich hinke. Ich muss der Tatsache ins Auge blicken, dass ich nie wieder dieselbe sein werde.
    Das ist okay. Ich bin okay. Während ich tief Luft hole, wird mir etwas klar …
    Ich fühle mich stärker und lebendiger als vor dem Unfall.
    Die Tür der Mädchentoilette öffnet sich. Mrs Gibbson kommt herein. Ihre Augenbrauen schießen nach oben, als sie unsere kleine Auseinandersetzung bemerkt. »Solltet ihr nicht alle im Unterricht sein?«
    Keine von uns antwortet. Kendra starrt mich an, Hannah guckt immer wieder von Kendra zu mir und zurück zu Kendra, Sabrina steht noch immer der Mund offen und ich gebe nichts preis.
    »Also schön. Machen wir alle einen kleinen Spaziergang in Mr Meyers Büro, damit er der Sache auf den Grund gehen kann.«
    »Damit habe ich kein Problem«, sage ich.
    »Ich auch nicht«, sagt Sabrina und stärkt mir damit den Rücken. Ich schulde ihr eine ernsthafte Entschuldigung, weil ich vor dem Unfall so bescheuert zu ihr war. Manchmal muss man sich von der Masse entfernen, um ein besserer Mensch zu werden. Es ist nicht immer einfach, das steht fest. Aber es ist das Richtige. Und manchmal fühlt es sich dermaßen gut an, das Richtige zu tun. Selbst wenn es einen Spaziergang in das Büro vom Direx bedeutet.
    Kendras Augen sprühen immer noch Feuer. »Was immer.«
    »Ja, was immer«, sagt Hannah und gibt damit eine peinliche Kopie ihrer besten Freundin ab. Ich habe beinah Mitleid mit ihr.
    Wir alle folgen Mrs Gibbons ins Sekretariat. Sabrina sieht mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Ist nicht wahr! Caleb Becker?«, bilden ihre Lippen stumm.
    Es ist nicht Kendras Schuld, dass sie so wunderschön und hübsch ist. Es ist nicht einmal Calebs Schuld, dass er sich zu ihr hingezogen fühlt. Das alles spielt überhaupt keine Rolle.
    Was eine Rolle spielt, ist, dass ich keine Gefühle von Hass oder Verrat mit mir rumschleppen werde. Das ist viel zu anstrengend. Mrs Reynolds hatte recht.
    Ich hasse Kendra nicht.
    Ich hasse Leah nicht.
    Ich hasse Caleb nicht.
    Ich fühle mich stärker, als ich mich seit … nun, ich kann mich nicht einmal daran erinnern, seit wann gefühlt habe. Alles, was ich weiß, ist, dass ich mich gut fühle. Nein, besser als das. Ich fühle mich stark.

 
    41 Caleb
    Meyer zeigt auf mich und stößt bei jedem Wort, das er sagt, mit dem Finger in die Luft. »Okay, Becker. In mein Büro.«
    Ich folge ihm in sein Zimmer und er schließt die Tür, sobald ich auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz genommen habe. Er ist angepisst. Das verraten mir die Art, wie seine Nackenmuskulatur zuckt, und die tiefrote Farbe, die sein Gesicht und seine Glatze angenommen haben. Er setzt sich nicht mal auf seinen Stuhl. Er hockt sich auf die Ecke seines Schreibtisches, direkt vor meiner Nase. Er versucht, mich einzuschüchtern, mir Angst einzujagen. Aber er hat nicht die Zelle mit einem Typen wie Julio geteilt. Und wenn Julio mich nicht einschüchtern konnte, hat Meyer erst recht nicht den Hauch einer Chance.
    »Wieso hast du eine Prügelei mit Drew Rudolph angefangen?«
    Ich kann ihm die Wahrheit nicht verraten. Wenn die ganze Sache herauskommt, könnte Leah da mit reingezogen werden. Und Kendra. Und Maggie. Leah hat sich in letzter Zeit merkwürdig benommen. Ich weiß letztendlich nicht, was sie sagen würde. Würde sie mit der Wahrheit herausplatzen, dass sie diejenige war, die Maggie angefahren hat? »Ich weiß es nicht«, sage ich wenig einfallsreich.
    Meyers Zorn fällt in sich zusammen, an seine Stelle tritt Frustration. »Was soll ich bloß mit dir machen, Becker? Ich habe den Anruf einer Mutter erhalten, die gesagt hat, du hättest einen Freund zum Alkohol trinken verleitet. Eine

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