Leaving Paradise (German Edition)
zieht so viel Nutzen daraus, wie sie kann.«
Kendra zögert.
»Was ist?«, fragt Hannah.
»Hast du die Kabinen gecheckt?«
Ups. Ich bin geliefert. Mit einem kaputten Bein auf dem Toilettensitz zu balancieren, kommt nicht infrage.
Die Tür einer anderen Kabine öffnet sich quietschend. Oh nein. Ich versuche, an der Tür vorbeizuspähen, aber ich möchte nicht stolpern oder ein Geräusch machen, das die anderen auf mich aufmerksam macht.
»Ihr zwei seid erbärmlich. Ihr hättet nachsehen sollen, bevor ihr anfangt, über euer mitleiderregendes Leben zu plaudern.«
Es ist meine Cousine Sabrina.
»Was hast du gehört?«, fragt Kendra.
»Was denkt ihr denn? Ich habe alles gehört.«
»Und du wirst es für dich behalten, oder, Sabrina?«
Sabrina stemmt die Hände in die Hüften. »Ich weiß nicht genau. Wieso hört ihr nicht damit auf, Gerüchte über meine Cousine zu verbreiten? Sie hinkt vielleicht, aber an ihr ist mehr bewundernswert als an euch zwei zusammen.«
Die anderen Mädchen starren Sabrina an, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen, total schockiert, dass jemand aus ihrem Gefolge zu guter Letzt doch noch eine eigene Meinung besitzt.
»Krieg dich wieder ein, Sabrina. Vergiss nicht, du warst ein Niemand und Maggie war vor einem Jahr noch an deiner Stelle. Nur weil du mit Brianne und Danielle befreundet bist, bedeutet das nicht, dass du plötzlich angesagt wärst.«
Sie hat recht. Ich war nicht besonders nett zu Sabrina, als ich noch dazugehörte und sie darum kämpfte, Freunde zu finden, die sich nicht in der Mittagspause in der Bibliothek verstecken mussten. Ich gehe davon aus, dass Kendras Worte Sabrina den Wind aus den Segeln nehmen werden, aber meine Cousine verzieht keine Miene.
»Kendra, ich habe den Boden angebetet, auf dem du gewandelt bist, weil du hübsch und beliebt warst und einen Freund hattest, von dem wir übrigen Mädchen nur träumen konnten. Ich wollte beliebt sein, so wie du. Jetzt finde ich dich nur noch erbärmlich.«
»Pass besser auf, Sabrina. Sonst bist du so schnell wieder ein Niemand, dass dir schwindelig wird.« Kendras Augen sind weit aufgerissen, ihr Blick ist wild und ich glaube, wenn sie Superkräfte hätte, würde er Sabrina glatt zum Schmelzen bringen. Aber sie hat keine Superkräfte. Hannah steht hinter Kendra, mit Daumen und Zeigefinger bildet sie ein L, das sie sich an die Stirn hält und anschließend auf Sabrina richtet.
Während Sabrina mich verteidigt und bedroht wird, kauere ich wie ein Feigling in meinem Versteck. Ich beobachte, wie meine Cousine sich für mich einsetzt, und mir ist klar, dass es kein schönes Ende für sie nehmen wird. Ich spüre, wie der Gedanke an Mrs Reynolds mir Mut macht.
Ich stoße die Tür der Toilettenkabine weit auf, das alarmierende Quietschen macht alle auf meine Anwesenheit aufmerksam.
Sabrina wirkt genauso schockiert wie Kendra und Hannah.
Kendra lacht nervös, erholt sich aber rasch. »Ist die Toilette hier der Losertreff und ich habe bloß noch nichts davon gehört?«
»Du bist genau wie deine Cousine«, sagt Hannah zu mir. »Eine, die immer nur Mädchen wie Kendra und mich kopieren wird.«
Ich humple zu meiner Cousine und stelle mich neben sie. »Hannah, du und Kendra, ihr habt einfach alles. Und dennoch … seid ihr beide bloß leere Hüllen ohne nennenswerten Inhalt. Ich würde euch selbst dann nicht kopieren, wenn ich dafür zwei gesunde Beine geschenkt bekäme.«
»Ich befürchte, der Unfall hat dein Hirn in Mitleidenschaft gezogen.« Kendra spuckt die Worte aus wie ein Drachen, der seinen Feinden Feuer entgegenspeit.
Sabrina sieht mich sprachlos an. Ich weiß, ich war seit dem Unfall nicht besonders stark. Ich habe niemandem die Stirn geboten und mich auf meine Schwächen anstatt auf meine Stärken konzentriert. Zeit mit einer starken Frau wie Mrs Reynolds zu verbringen, muss auf mich abgefärbt haben. Und die Zeit, die ich in den letzten Monaten mit Caleb verbracht habe, hat mir das Gefühl gegeben, attraktiv und schön zu sein. Die Sache ist … tief in meinem Inneren glaube ich einfach nicht, dass er mich angelogen hat. Bewunderung leuchtete in den Tiefen seiner Augen. Seine Finger bebten, wenn er meine Lippen nachzog oder mein Gesicht berührte. Ein Junge wie Caleb, der seine Gefühle vor allen verbirgt, könnte diese starken Reaktionen nicht vortäuschen, selbst wenn er es wollte.
Kendra schüttelt den Kopf und sieht mich verächtlich an. »Wenn Caleb sich mit dir abgegeben hat, dann nur aus
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