Leaving Paradise (German Edition)
andere Beschwerde wurde vom Trainer der Ringermannschaft der Fremont eingereicht … etwas in die Richtung, du hättest einen seiner Topringer angegriffen. Du stehst auf sehr dünnem Eis und bist auf dem besten Wege, für immer ein Straftäter zu bleiben. Siehst du nicht ein, dass der einzige Mensch, dem dein Verhalten am Ende schaden wird, du selbst bist? Wenn du keine Erklärung für mich hast, bleibt mir keine andere Wahl, als dich vom Unterricht auszuschließen.«
Unterrichtsausschluss? Scheiße, nein. Ich würde mich ja verteidigen, aber das bringt eh nichts. Der Typ würde mir sowieso nicht glauben. Also bleibe ich stumm.
»Du hast nichts zu diesen Anschuldigungen zu sagen?«
»Nö.«
»Caleb, nimm bitte draußen Platz, während ich mir überlege, wie wir weiter vorgehen.«
Jetzt sitze ich also wieder auf einem Metallstuhl fest. Dieses Mal vor Meyers Zimmer. Geschlossene Türen und Metallstühle sind die wiederkehrenden Themen meines Lebens.
Ich hebe den Blick, als die Tür des Sekretariats sich öffnet.
Maggie kommt herein, sie steht nur wenige Schritte von dem Stuhl entfernt, auf dem ich sitze. Ich studiere ihr Gesicht, auch wenn ich sie nur von der Seite mustern kann. Sie hat hohe Wangenknochen und eine gerade Nase. Sie ist nicht klein, sie ist etwas breit in der Mitte, beinah als hätte Gott nicht gewollt, dass sie perfekt wird. Sie wäre nicht Maggie ohne diese Unvollkommenheit. Sie ist nicht so offensichtlich schön wie Kendra, aber sie hat etwas … diese Mischung aus Unsicherheit und königlicher Haltung, die nicht zusammenpasst. Ihr ganzes Erscheinungsbild spiegelt wider, wer sie ist. Nur ihre Narben nicht.
Die würde ich gerne mit einer Berührung meiner Finger verschwinden lassen und auf meinen eigenen Körper übertragen.
Maggies Aufmerksamkeit ist auf den Sekretariatstresen gerichtet, sie liest sich konzentriert etwas durch. Ihre Haare fallen ihr wie ein Vorhang vors Gesicht und verbergen es vor mir. Ich nehme nur am Rande wahr, dass Sabrina, Kendra und Hannah den Raum ebenfalls betreten haben. Langsam wird es voll hier.
Mrs Gibbons, die Kunstlehrerin, klopft an Meyers Tür. Sie steckt ihren Kopf ins Zimmer, als er ihr die Erlaubnis zubellt, seine geheiligten Hallen zu betreten. »Es gab ein Problem mit einigen Seniormädchen.«
Die Mädchen gehen im Gänsemarsch in sein Büro. Kendra wirkt trotzig, Hannah sieht eingeschüchtert aus, Sabrina wirkt gleichmütig und Maggie … sie scheint entschlossen, es mit allem aufzunehmen, was ihren Weg kreuzt.
Ein paar Minuten später kommen die Mädchen wieder heraus. Maggie sieht mich nicht an. Sie verlässt das Sekretariat mit den anderen Mädchen.
Meyer erscheint wieder an der Tür. »Okay, Becker. Du bist dran.«
Ich gehe in sein Büro und werde angewiesen‚ mich auf einen anderen Stuhl zu setzen als vorhin. Dieser ist gepolstert. Ich stütze die Ellbogen auf die Knie und denke an das, was Meyer gesagt hat: Ich bin auf dem besten Weg, für immer ein Straftäter zu sein. Maggie hatte wahrscheinlich recht; wenn man abhaut, wird man nicht mehr ständig an die Vergangenheit erinnert.
Ich habe meine Sozialstunden abgeleistet, aber immer noch nicht meine endgültigen Entlassungspapiere. Damon wird mich umbringen, wenn er erfährt, dass ich in eine Prügelei verwickelt war. Was zur Hölle wird passieren, falls ich zurück ins DOC muss? Ich hoffe, Mom und Leah springen dann nicht von der nächsten Klippe.
Ich höre das Klappern von Absätzen und hebe den Kopf. Meine Mutter steht in der Tür zu Meyers Büro. Ihre Lippen sind zusammengepresst. Ich spüre, wie sie krampfhaft versucht, die Kontrolle zu wahren, denn sie schwankt leicht hin und her.
»Ah, Mrs Becker«, sagt Meyer. »Danke, dass Sie so rasch gekommen sind.«
Mom nickt und sucht Halt am Türrahmen. »Also … soll ich ihn mit nach Hause nehmen?«
Meyer geht zu meiner Mutter und legt ihr stützend die Hand auf die Schulter. »Der Junge, den Caleb angegriffen hat, hat bisher noch keine Beschwerde eingereicht, aber die Regeln zwingen mich dazu, ihn vom Schulgelände zu entfernen, bis die Sache geklärt ist. Sie werden einen Anruf von mir erhalten, nachdem ich die Dauer von Calebs Suspendierung mit dem Schulinspektor besprochen habe.
Mom nickt, dann wendet sie ihre Aufmerksamkeit mir zu. Sie sieht müde aus. Die Linien um ihre Augen und an den Mundwinkeln haben sich tiefer eingegraben als je zuvor. Dafür habe ich gesorgt. Ohne es zu wollen, habe ich den Willen meiner Mutter
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