Lebe die Liebe
Jahre im Gefängnis verbringen, wenn man ihm die Vergewaltigung glauben würde.«
Caine sah sie eine Weile lang nachdenklich an und wartete, bis sich ihre Blicke trafen. »Diana, denk dran«, sagte er leise, »Chad ist nicht Justin.«
Sie zuckte zusammen. »Ist es wirklich so einfach, meine Gedanken zu lesen?«
»Manchmal ja.«
»Es war schwierig für mich, keine Vergleiche zwischen den beiden anzustellen«, gab sie zu. »Chad gibt sich auf den ersten Blick genauso männlich und stark wie Justin damals in seinem Alter. Ich sah ihn in der Zelle, und plötzlich hatte er Justins Gesicht. Dabei fiel mir dann dein so oft zitiertes ›Schicksal‹ ein.« Diana lachte und sah ihn fragend an. »Ob dieser Fall ein Wink des Schicksals ist?«
»Diana, du verlierst deine Objektivität.« Es fiel Caine schwer, sie darauf hinzuweisen. Lieber hätte er sie in den Arm genommen und getröstet. »Und wenn du nicht objektiv an einen Fall herangehst, hast du schon verloren, bevor du den Gerichtssaal überhaupt betreten hast.«
»Ich weiß«, gab sie einsilbig zur Antwort und ballte die Fäuste. »Aber ich werde schon damit fertig werden, bevor ich Chad noch einmal im Gefängnis besuche.«
Caine stand auf, griff nach Dianas Armen und zog sie hoch. Sie ließ es geschehen, dass er sie fester an sich zog, aber sie legte ihre Arme nicht um ihn.
In diesem Augenblick wusste Caine, dass er sie mehr begehrte als jemals zuvor. Zum ersten Mal ging es ihm nicht nur darum, ihren Körper zu spüren und sie zu küssen, sondern er wollte mehr – er wollte teilhaben an ihren Gedanken, ihren Gefühlen. Wollte ihr helfen und ihr so nah sein wie nie zuvor.
Diana hob den Kopf und sah ihn an. Ihr war, als ruhten seine Augen fragend auf ihrem Gesicht, aber seiner Miene war nicht anzusehen, was er wissen wollte. Dann kam sein Mund immer näher und berührte schließlich ihre Lippen.
Dieser Kuss war anders als alle anderen bisher. Sein Mund war sanft und zärtlich – beinahe so, als hätte er niemals zuvor eine Frau geküsst.
Caines Hände lagen auf ihrem Rücken, aber er zog sie nicht enger an sich. Es schien Diana, als wollte er sie beim ersten Anzeichen von Gegenwehr sofort loslassen können. Sie stand ganz still, hatte die Augen geschlossen und wünschte sich, dass dieser Kuss nie zu Ende gehen möge.
Als er sie schließlich etwas von sich schob, sahen sie sich lange schweigend an. Dann wandte Caine sich ab, ging zurück zum Tisch und trank seinen Kaffee aus.
»Fühlst du dich besser?«, fragte er leise.
»Ja.« Diana sah zu ihm hinüber und lächelte. »Ich glaube, ich gehe jetzt am besten in mein Büro und arbeite Chads Verteidigung aus. Morgen früh kommt übrigens Mrs. Walker zu mir.« Sie sah Caines fragenden Gesichtsausdruck und fügte hinzu: »Die Scheidungssache, die du mir gegeben hast. Ich muss noch einiges dazu lesen.«
»Oh, ja.« Caine stellte die Tasse weg. »Dein Telefon ist heute Morgen angeschlossen worden«, sagte er.
»Gut.« Diana griff nach ihrem Aktenkoffer. »Ich gehe dann nach oben.«
»Diana …« Caines Stimme hielt sie zurück. »Hast du außer Mrs. Walker morgen sonst noch etwas?«
»Nein, keine Termine, aber dafür jede Menge Schreibarbeit.«
»Ich muss nach Salem fahren und da jemanden in der Sache Day vernehmen. Hast du nicht Lust, mitzufahren? Die Fahrt dorthin ist sehr schön, und du könntest dir ja Arbeit mitnehmen und sie erledigen, während ich die Vernehmung durchführe.«
»Ja, das könnte ich wirklich«, antwortete sie. »Gut, ich fahre mit. Wahrscheinlich ist das sowieso für längere Zeit mein letzter freier Nachmittag.«
»Okay, dann fahren wir direkt nach deinem Termin mit Mrs. Walker los.«
Eine Weile lang standen sie schweigend in der kleinen Küche und sahen sich an. Seltsam, schoss es Diana durch den Kopf, dass zwei wortgewandte Menschen Probleme haben können, miteinander zu reden. »So gegen halb elf oder elf werde ich wohl fertig sein«, sagte sie und suchte krampfhaft nach weiterem Gesprächsstoff. »Nun, dann gehe ich wohl besser nach oben.«
Caine nickte nur und schenkte sich noch eine Tasse Kaffee ein. Dann setzte er sich wieder an den Tisch und stützte seinen Kopf mit beiden Händen. Was, zum Teufel, war denn nur in ihn gefahren? Als ihm die Idee mit der Fahrt nach Salem gekommen war, hatte er sich gefühlt wie ein Sechzehnjähriger, der sein erstes Rendezvous verabreden will. Nein, dachte er plötzlich und schüttelte den Kopf, selbst das stimmte nicht. Schon in dem Alter
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