Lebe die Liebe
Grant nickte, fuhr er fort: »Als sie zu Miss Simmons Wohnung fuhr, soll sie gewusst haben, dass ihr Mann zu dem Zeitpunkt bei seiner Geliebten war.«
»Der letzten Geliebten in einer langen Reihe«, warf Agatha ein.
»Nachdem er sie darum gebeten hatte, ließ Miss Simmons Francis Day mit seiner Frau allein. Als sie zwanzig Minuten später in ihre Wohnung zurückkehrte, war Day tot, und Ginnie saß auf der Couch, die Pistole noch in der Hand. Sie hatte zweimal aus nächster Nähe geschossen. Miss Simmons lief schreiend zu einem Nachbarn und rief von dort aus die Polizei.«
»Ginnie hat ihn getötet, das ist gar keine Frage«, sagte Agatha.
»Ja, das gibt sie auch zu. Allerdings führt sie zu ihrer Verteidigung an, dass ein schlimmer Streit den Schüssen vorausgegangen sei. Sobald sie allein in der Wohnung waren, hat ihr Mann sie angeschrien, und sie hat in gleicher Weise geantwortet – eine Situation, wie sie wohl in der letzten Zeit ihrer Ehe an der Tagesordnung war. Dann hat Ginnie ihm gedroht, sie werde sich von ihm scheiden lassen und dafür sorgen, dass in diesem Scheidungsprozess alles zur Sprache komme – auch die Berichte des Privatdetektivs über seine diversen Seitensprünge. Das war etwas, das Francis Day absolut nicht wollte, da das seine Karriere gefährdet hätte. Soviel Ginnie mir sagte, stand er wohl kurz davor, Chefarzt am Boston-General-Krankenhaus zu werden.«
»Ja, das stimmt«, sagte Agatha. »Francis war sehr um seinen guten Ruf besorgt und äußerst ehrgeizig. Er hätte es sicher nicht verwunden, wenn er wegen dieser Scheidung den Posten als Chefarzt nicht bekommen hätte.«
»Während sie weiterstritten«, fuhr Caine fort, »verlor er plötzlich die Kontrolle über sich und schlug Ginnie. Sie sagt, dass sie nach einem seiner Schläge gestürzt sei und gesehen habe, wie ihr Mann nach einer schweren Lampe griff und dabei drohte, sie zu töten. Als er mit der Lampe in der Hand auf sie zukam, hat sie in ihre Tasche gegriffen, die Pistole herausgeholt und zweimal geschossen.«
Agatha hatte während seiner Schilderung immer wieder zustimmend genickt. Jetzt sah sie ihn fragend an. »Glauben Sie ihr?«
Caine begegnete offen ihrem Blick. »Ich glaube, dass Virginia Day ihren Mann in Notwehr erschossen hat, Mrs. Grant.«
»Ginnie ist sehr eigensinnig«, sagte Agatha und seufzte. »Und sehr verwöhnt. Wir alle haben sie verwöhnt und zu dem gemacht, was sie heute ist. Sie hat nie gelernt, ihr Temperament zu zügeln, ist immer leicht explodiert, ohne sich Gedanken über die Folgen zu machen. Aber eines ist sie sicher nicht – kaltblütig genug, um einen Menschen vorsätzlich zu erschießen.«
»Um das dem Gericht klarzumachen, Mrs. Grant, muss ich zuallererst erklären, wieso Ginnie eine Waffe bei sich hatte.«
»Sie ist nie ohne ihre Pistole aus dem Haus gegangen.« Agatha zog ihr Kissen etwas höher und lehnte sich dann wieder dagegen. »Ich habe sie gefragt, was das soll, und sie hat gelacht. ›Tante Aggi‹, hat sie gesagt, ›wenn jemand mich je überfallen sollte, wird er sich wundern.‹ Schreckliches Kind! Warum musste sie auch immer schmuckbehangen durch die Gegend laufen? Aber solange sie die Pistole dabeihatte, fühlte sie sich sicher und brauchte auf ihre geliebten Juwelen nicht zu verzichten.«
»Haben Sie oft gesehen, dass sie die Waffe bei sich hatte?«
»Natürlich. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, sie wollte mich nur ärgern, wenn sie ihre Tasche öffnete und sie mir so hinhielt, dass ich das Ding darin sah.«
»Dann könnten Sie also vor Gericht unter Eid aussagen, dass Virginia Day ständig mit einer Pistole herumlief und dass Sie diese Waffe häufig gesehen haben?«, fragte Caine.
»Junger Mann, ich würde sogar den Teufel anlügen, um dem Mädchen zu helfen«, antwortete Agatha. »Ich konnte den Kerl nie leiden, den sie da geheiratet hat.«
»Mrs. Grant …«
»Ist ja schon gut«, beruhigte sie Caine lächelnd. »In diesem Fall kann ich es sogar beschwören, ohne mir Sorgen um meinen Seelenfrieden machen zu müssen.«
»Gut.« Caine lehnte sich aufatmend zurück. »Und die Behauptung, dass Sie auch dem Teufel ins Gesicht lügen würden, bleibt unser Geheimnis. Okay?«
»Natürlich.« Ganz ungeniert musterte sie Caine von oben bis unten, und es schien ihr zu gefallen, was sie sah. »Das Mädchen hat schon immer einen guten Geschmack gehabt«, sagte sie. »Ginnie und Sie …«
»Ich bin ihr Verteidiger«, unterbrach Caine sie schnell und stand auf. »Danke,
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