Lebe die Liebe
sah Diana ihn an und merkte erst da, dass sie immer noch das halb volle Glas in der Hand hielt. Schnell stellte sie es ab und sah sich in dem Zimmer um. »Sehr hübsch«, sagte sie, obwohl sie kaum wahrnahm, wie ihre Umgebung aussah. »Danke, dass du mich hierher gebracht hast, Caine. Jetzt möchte ich bitte auspacken.«
»Setz dich, Diana. Ich werde nicht eher gehen, bis du dich beruhigt hast.«
»Aber wieso? Mit mir ist alles in Ordnung. Ich bin nur etwas müde von der Reise, und daher möchte ich …«
»Ich habe dich beobachtet.« Caine ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er kam auf sie zu, nahm sie bei den Schultern und drückte sie in einen Sessel. »Wenn du noch fünf Minuten länger in dem Raum gestanden hättest, wärst du umgefallen.«
»Unsinn!«
»Wirklich?« Er nahm ihre Hand zwischen seine und hielt sie fest. »Deine Hände sind eiskalt. Du kannst vielleicht mit deinen Augen lügen, Diana, aber deine Hände verraten dich. Hättest du es ihm nicht etwas leichter machen können?«
»Nein!« Sie atmete tief durch, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme weniger aggressiv. »Warum hätte ich das tun sollen?« Sie entzog ihm ihre Hand und stand auf. »Bitte, lass mich jetzt allein.«
Sie standen jetzt nah voreinander. Caine hob seine Hand und strich mit den Fingerspitzen ganz zart über ihre Lippen. »Eigensinnig bist du«, murmelte er und strich ihr eine Haarsträhne von der Wange. »Schon als ich dich vorhin am Flughafen sah, hab ich das gewusst. Warum kommst du ihm nicht etwas entgegen, Diana? Warum machst du es dir selbst so schwer, indem du deine Gefühle so unterdrückst?«
»Meine Gefühle gehen dich gar nichts an!« So böse ihre Stimme geklungen hatte, so viel Hilflosigkeit lag in ihren Augen. Caine sah, dass sie mit aller Kraft gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfte. »Lass mich allein.«
Ehe Diana noch protestieren konnte, fühlte sie sich plötzlich von seinen Armen umfangen. Jetzt konnte sie nicht mehr widerstehen. Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Brust und weinte hemmungslos.
2. K APITEL
Das Meer war grau und wild, kleine Schaumkronen tanzten auf den Wellen. Die Luft war schneidend kalt und roch nach Schnee.
Diana hatte ihren Mantel bis obenhin zugeknöpft und hielt ihr Gesicht dem kalten Wind entgegen. Unter ihren Füßen knirschte der Sand. Jetzt, kurz nach Sonnenaufgang, war weit und breit noch kein Mensch zu sehen. Diana genoss die Einsamkeit an diesem winterlichen Strand.
Wenn sie so zurückdachte, war sie eigentlich selten in ihrem Leben wirklich ohne Gesellschaft gewesen. In ihrem Herzen hatte sie sich oft einsam gefühlt, trotz der vielen Menschen um sie herum.
Tante Adelaide hatte in ihrem großen Haus auf Beacon Hill dafür gesorgt, dass Diana neben den unzähligen Stunden, in denen die Tante ihr gutes Benehmen und gesellschaftlichen Schliff beigebracht hatte, möglichst häufig von Menschen umgeben war, die zu den Spitzen der Gesellschaft zählten.
Diana lächelte traurig, als sie daran zurückdachte. Schon sehr früh war ihr damals der Grund für das Verhalten ihrer Tante klar geworden. Sie hatte Angst, dass bei ihrer Nichte das Blut der Blades, Indianerblut, die Oberhand gewinnen könnte. Ihre Vorfahren hatten dem Stamm der Komantschen angehört, und Tante Adelaide war fest davon überzeugt, dass diese Herkunft keinen guten Einfluss auf eine junge Dame der Gesellschaft ausüben konnte.
Zuerst hatte Diana sich gefügt, hatte alles getan, um ihre Tante nicht zu verärgern und sich wirklich zu dem wohlgeratenen Mädchen erziehen zu lassen, das Tante Adelaide anstrebte. Was hätte sie auch sonst tun können? Es gab für sie keine andere Möglichkeit, niemanden, der sie sonst aufgenommen hätte. Während der ganzen Jahre hatte Diana immer die Angst begleitet, auch die Tante noch zu verlieren, nachdem schon ihre Eltern und dann auch Justin sie verlassen hatten.
Im Laufe der Zeit hatte sie gelernt, ihre Angst zu unterdrücken und ihre Gefühle so zu kontrollieren, dass sie gewappnet war gegen die Kritik der Tante und ihre eigene Unsicherheit. Selbst als Kind hatte sie schon begriffen, dass ihre Tante sie nicht aus Liebe zu sich genommen hatte, sondern einfach aus einem Pflichtgefühl heraus.
Diana war die Tochter von Adelaides Halbschwester, einer hübschen, dunkelhaarigen Frau mit heller Haut aus der zweiten Ehe ihres Vaters, die er mit einer Halbindianerin eingegangen war – einer Indianerin vom Stamme der Komantschen. Adelaide hatte die Halbschwester
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