Lebe die Liebe
Schulterzucken.
»Da bist du ja.« Justin ging direkt auf seine Frau zu und sah Diana gar nicht, die sich mit einigen Schritten bis ans Fenster zurückgezogen hatte. »Ich habe dich schon gesucht.«
»Justin …« Serena kam nicht dazu, mehr zu sagen. Er hatte sie schon in die Arme genommen und verschloss ihren Mund mit einem Kuss.
Wie groß er ist! Das war das Erste, was Diana durch den Kopf schoss. War das wirklich ihr Bruder? Dieser selbstbewusste, elegante Mann, der nur wenige Schritte von ihr entfernt stand, hatte wenig gemein mit dem zurückhaltenden, etwas eckigen Jungen, der sie auf seine Schultern genommen hatte, wenn ein Zirkus in die Stadt kam, damit sie besser sehen konnte. Warum kam ihr ausgerechnet dieses Bild jetzt in den Sinn?
»Justin«, begann Serena atemlos, als er sie endlich wieder freigegeben hatte. »Wir sind nicht allein.«
Er warf einen Blick auf Caine und zog seine Frau dann noch enger an sich. »Caine, du störst. Merkst du das nicht?«
»Justin.« Halb lachend presste Serena ihre Hände gegen seine Brust und deutete mit dem Kopf zum Fenster.
Justin folgte ihrem Blick, wandte sich dann aber sofort wieder seiner Frau zu. »Ich habe gar nicht bemerkt, dass Caine jemanden mitgebracht hat«, sagte er lächelnd und strich Serena übers Haar.
Er erkennt mich nicht mehr, dachte Diana und umfasste ihr Glas so krampfhaft, dass ihre Hände wehtaten. Wir sind wie zwei Fremde, die auf der Straße aneinander vorbeigehen würden.
Plötzlich zog Justin die Brauen zusammen, seine Hand lag immer noch auf dem Kopf seiner Frau, aber seine Finger griffen plötzlich so fest zu, dass es schmerzte. Ganz langsam ließ er sie los, und aus seiner Miene sprach ein ungeheures Staunen. »Diana?«
Sie stand ganz still, die Hände immer noch um ihr Glas verkrampft. »Justin.«
Mit wenigen Schritten war er bei ihr. Es schien, als wollte er sie in die Arme nehmen, aber dann blieb er vor ihr stehen und sah sie nur an. Er konnte es nicht fassen. Das war nicht das kleine Mädchen, das er getröstet hatte. Vor ihm stand eine erwachsene Frau mit den Augen ihres Vaters. Er starrte sie an. Ihr Gesicht war wie eine Maske, völlig ausdruckslos.
»Du hast keinen Pferdeschwanz mehr«, sagte er und wusste genau, wie albern das klang.
»Ja, schon seit einigen Jahren nicht.« In diesem Augenblick erinnerte Diana sich wieder an die Höflichkeitsregeln, die ihre Tante ihr bei jeder Gelegenheit eingebläut hatte. »Du siehst gut aus, Justin«, sagte sie und lächelte höflich.
Spätestens jetzt wusste er, dass er keine spontane Reaktion von seiner Schwester erwarten konnte. »Du auch«, erwiderte er steif. »Wie geht es Tante Adelaide?«
»Gut. Sie lebt jetzt in Paris. Dein Hotel ist sehr schön.«
»Danke.« Er lächelte gequält und steckte die Hände in die Taschen seines Jacketts. »Ich hoffe, du bleibst eine Weile.«
»Ja, eine Woche.« Mittlerweile schmerzten ihre Hände so sehr, dass sie den Griff um das Glas lockerte. »Ich habe dir noch gar nicht zu deiner Hochzeit gratuliert, Justin. Ich hoffe, du bist glücklich.«
»Ja, das bin ich.«
Jetzt fand es Serena an der Zeit, dieser steifen, unerfreulichen Unterhaltung ein Ende zu setzen. »Diana, komm, setz dich.«
»Sei mir nicht böse, Serena, aber wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich lieber meine Sachen auspacken.«
»Natürlich.« Justin hatte geantwortet, bevor Serena noch protestieren konnte. »Aber du wirst doch mit uns zu Abend essen, nicht wahr?«
»Ja, gern.«
»Ich zeige dir dein Zimmer.« Caine trank sein Glas aus und stellte es auf den Tisch.
»Danke.« Diana ging durch das Zimmer und warf Serena noch einen freundlichen Blick zu. »Bis später.«
Sie sah den Augen ihrer Schwägerin an, dass sie mit dem Fortgang der Dinge überhaupt nicht einverstanden war. »Gut. Wenn du noch irgendetwas brauchst, dann sag es mir bitte. Abendessen um acht Uhr, ja?«
Diana nickte nur und folgte Caine durch die Tür, die er für sie offen hielt. Schweigend gingen sie den Flur entlang. Diana konnte es nicht erwarten, bis sie endlich allein war und sich gehen lassen konnte.
Caine nahm den Schlüssel und öffnete die Zimmertür. Diana ging an ihm vorbei und drehte sich dann noch einmal um. Sie wollte sich bei ihm bedanken und verabschieden, aber stattdessen trat er ebenfalls ins Zimmer und blieb vor der geschlossenen Tür stehen. »Setz dich.«
»Caine, wenn es dir nichts ausmacht, so möchte ich …«
»Hat dir der Sherry nicht geschmeckt?«
Verständnislos
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