Lebe lieber innovativ
aus. Also beschloss ich, das Ganze hinzuwerfen, und vertraute darauf, dass schon alles irgendwie weitergehen würde. Das war damals recht beängstigend, doch im Nachhinein betrachtet war es eine der besten Entscheidungen, die ich jemals getroffen habe. Nachdem ich erst einmal ausgestiegen war, brauchte ich keine Seminare mehr zu belegen, die mich gar nicht interessierten, sondern ich besuchte nur noch Kurse, von denen ich mir auch wirklich etwas versprach.
Es war aber nicht alles so romantisch. Da ich kein Zimmer mehr im Studentenwohnheim hatte, schlief ich bei verschiedenen Freunden auf dem Fußboden. Ich brachte Pfand-Colaflaschen zurück ins Geschäft, um mir von den je fünf Cent pro Flasche etwas zu essen zu kaufen. Jeden Sonntagabend lief ich rund elf Kilometer durch die ganze Stadt, um im Hare-Krishna-Tempel eine warme Mahlzeit zu bekommen. Das liebte ich einfach. Genau wie viele andere Dinge, in die ich nur aus Neugierde und Intuition hineingestolpert bin und die sich später als unschätzbar wertvoll erwiesen. Am Reed College gab es damals den wohl besten Unterricht in Kalligrafie im ganzen Land. Überall auf dem Campus war alles sehr kunstvoll von Hand kalligrafiert – angefangen bei Plakaten bis hin zu
Etiketten auf Schubladen. Da ich als Aussteiger nicht an Pflichtkursen teilnehmen musste, beschloss ich, Kalligrafie-Unterricht zu nehmen. Ich erfuhr, was Serifen und Serifen-Schriften sind, wie man die Abstände zwischen verschiedenen Buchstabenkombinationen variieren kann und was im Allgemeinen ein perfektes Schriftbild ausmacht. Die Kalligrafie war wunderschön, historisch und von einer künstlerischen Subtilität, die nicht in wissenschaftliche Begriffe gefasst werden kann – ich fand sie einfach faszinierend.
Es bestand nicht die geringste Hoffnung, dass ich irgendetwas von all dem in meinem späteren Leben einmal praktisch verwenden konnte. Doch als wir zehn Jahre später den ersten Macintosh-Computer entwarfen, kam mir das, was ich über Schrift gelernt hatte, wieder in den Sinn und wir bauten es in den Mac ein. Er wurde der erste Computer mit ästhetisch schönen Schriftarten. Wenn ich nicht genau diesen Kurs im College belegt hätte, wäre der Mac niemals mit so unterschiedlichen Schriftarten oder den proportionalen Buchstabenabständen ausgestattet worden … Hätte ich damals also mein Studium nicht hingeworfen, wäre ich nie in den Kalligrafiekurs geraten und die Computer wären heute nicht mit all diesen wunderschönen Schriftarten ausgestattet. Natürlich war es damals, als ich im College war, unmöglich, all diese Fäden miteinander zu verbinden. Doch als ich zehn Jahre später zurückblickte, fügte sich plötzlich alles zu einem völlig logischen Bild zusammen.«
Diese Geschichte zeigt, dass wir nie wissen können, wann sich unsere Erfahrungen einmal als kostbar erweisen werden. Steve Jobs trat den Dingen aufgeschlossen und neugierig gegenüber. Er sammelte – unabhängig vom kurzfristigen Nutzen – ganz unterschiedliche Erfahrungen und konnte später von seinem Wissen auf unerwartete Weise profitieren. Deswegen sollten Sie eines auf gar keinen Fall vergessen: Je mehr Erfahrungen Sie haben und je breiter Ihr Wissen angelegt ist, desto größer sind die Ressourcen, aus denen Sie schöpfen können.
In meinen Kreativitätskursen vermittle ich meinen Studenten, wie wertvoll es ist, Ideen auf unübliche Weise neu miteinander zu kombinieren. Je öfter man das übt, desto selbstverständlicher wird dieser Vorgang. Wenn man zum Beispiel Metaphern und Vergleiche benutzt, um Begriffe zu beschreiben, die oberflächlich betrachtet nichts miteinander zu tun haben, hilft das, neuartige Lösungen für altbekannte Probleme zu entwickeln. Zur Verdeutlichung mache ich dazu mit ihnen eine kleine Übung. Dabei bitte ich die Studententeams, sich so viele Antworten wie möglich für folgende Aussagen einfallen zu lassen:
Ideen sind wie_______________________________
weil_______________________________________.
Deshalb____________________________________.
Hier nun einige der kreativsten Antworten, die den Studenten einfielen. In jedem Fall eröffnen diese Beispiele eine neue Sicht auf das Verständnis von Ideen:
Ideen sind wie Babys, weil jeder sie niedlich findet. Bleibt deshalb objektiv, wenn ihr eure eigenen Ideen bewertet.
Ideen sind wie neue Schuhe, weil man sie eintragen muss. Nehmt euch deshalb Zeit, um neue Ideen zu beurteilen.
Ideen sind wie Spiegel, weil sich in ihnen die
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