Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers
Hause gewesen waren – wer wusste schon, wie weit wir bei dem Fall vom Kurs abgekommen waren? Andererseits, wie groß konnte ein Wald mitten in Virginia schon sein?
Tja, das würde ich wohl bald herausfinden.
Als ich eine Stunde später an eine Straße gelangte, war ich erschöpft, verschwitzt und vollkommen frustriert. Wie hoch war denn bitte die Wahrscheinlichkeit, dass mich zufällig im selben Moment, als Raquel auftauchte, ein Paranormaler zu entführen versuchte? Was sollte das alles? Erst tat sie so, als wollte sie mir die IBKP vom Leib halten, und dann kam sie plötzlich zurück, um mich zu holen? Ich weigerte mich zu glauben, dass sie mich nur aus der Schule gelockt hatte, damit der Wolken-Freak sich auf mich stürzen konnte, aber das schien nun mal die sinnvollste Erklärung zu sein. Der Gedanke, dass Raquel – meine Raquel – mir so was antun konnte, brach mir das Herz.
Na schön. Wenn die IBKP sich solcher Methoden bedienen musste, meinetwegen. Ich spreizte die Finger und lächelte, ein fieses, selbstzufriedenes Lächeln. Ich konnte jetzt auf mich selbst aufpassen.
Dann erschauderte ich und schüttelte die Hand, um endlich dieses Kribbeln loszuwerden. Nein. Das würde ich nicht noch mal machen. Nie mehr. Dafür war es einfach zu toll gewesen.
Mein innerer Kompass war gar nicht solcher Schrott, wie ich immer gedacht hatte: Ich hatte tatsächlich die richtige Richtung auf der Straße eingeschlagen. Als ich die Biegung entdeckte, die zu Lends Zuhause führte, fing ich fast an zu heulen vor Erleichterung. Das war auch mein altes Zuhause, in dem ich gewohnt hatte, bis Lend dann schließlich ausgezogen war und ich mich kurz darauf bei Arianna einquartiert hatte. Denn mit dem Vater meines Freundes zusammenzuwohnen war ja wohl irgendwie keine Option. Ich rannte die lange, gewundene Auffahrt hoch und stürmte direkt ins Wohnzimmer.
Auf der Couch saß Raquel. Neben ihr stand meine Tasche. »Was zum Teufel –«, rief ich.
Sie sprang auf und packte mich, bevor ich auch nur daran denken konnte, mich zu wehren. Ich erstarrte. Dann wurde mir klar, dass sie mich umarmte.
»Da bekomme ich dich monatelang nicht zu Gesicht und das Erste, was dir einfällt, ist, dich kidnappen zu lassen! Ich dachte, du wolltest ein normales Leben!« Sie hielt mich ein Stück von sich weg und musterte mich mit Tränen in den Augen.
»Das heißt, du hast dieses Ding nicht geschickt?«
»Du meine Güte, nein!«
»Was war das überhaupt?«
David stolperte ins Zimmer, in der Hand das Telefon, und sein Gesicht wirkte erleichtert. »Es geht dir gut!«
»Klar, abgesehen davon, dass ich gerade von einer lebendigen Wolke entführt worden und Hunderte von Metern in die Tiefe geplumpst bin, geht’s mir spitzenmäßig!«
»Dann war es also wirklich ein Sylphe!« David hob den Zeigefinger und blickte Raquel triumphierend an. »Ich hab’s dir ja gesagt, es gibt sie wirklich!«
Raquel kniff die Lippen zusammen und bemühte sich sichtlich, einen Seufzer zu unterdrücken. »Ja, es hat in der Tat den Anschein, als wäre deine Vermutung korrekt.«
»Wow.« David fuhr sich mit den Händen durch sein dickes, dunkles Haar; seine Augen leuchteten vor Aufregung. »Wow. Ein Sylphe. Ich glaube, das ist der erste bestätigte Kontakt.«
Ich hob die Hand. »Äh, hallo? Das Mädchen, das von besagtem Sylphen gekidnappt wurde, hätte da mal ’ne Frage: Würde mir vielleicht irgendjemand erklären, was genau dieses Ding war und warum es dachte, ich müsste unsere wunderschöne Gegend unbedingt mal aus der Vogelperspektive besichtigen?«
»Sylphen sind Luftgeister«, antwortete Raquel nach einem gehetzten Blick auf David, als wollte sie beweisen, dass sie, selbst wenn sie nicht an Sylphen geglaubt hatte, immer noch mehr über sie wusste als er. »Wahrscheinlich entfernte Verwandte der Feen. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass sie entweder niemals existiert haben oder ausgestorben sind, aber das liegt wohl daran, dass ein Sylphe niemals freiwillig den Boden berühren würde und man darum nie einen gefunden hat. Jeder Versuch hat sich als eine enorme Zeitverschwendung herausgestellt.« Wieder so ein Blick zu David.
»Ach komm, nur weil meine Spezialität Elementargeister waren und du dich bloß mit gewöhnlichen Paranormalen wie Einhörnern und Kobolden befasst hast.« David zwinkerte mir zu, als hätte ich irgendeinen Schimmer, worum es bei diesem Witz ging. »Sie war schon immer neidisch, weil ich die wirklich Coolen kenne.«
Jetzt war es an
Weitere Kostenlose Bücher