Leben bis zum Anschlag
»Ich will nicht mit dir rumzicken. Ich will, dass wir’s schön haben.«
Ein langer Kuss und Keaths Hände unter ihrem T-Shirt, Noras Hände unter seinem.
»Du hast recht. Man muss nicht so viel quatschen«, murmelt Nora an Keaths Lippen.
»Doch, doch, gerade jetzt könntest du was sagen.«
»Ich liebe dich?«
»Ist das ’ne Frage?«
»Nein, das ist eine Tatsache.«
»Genau.« Große Einigkeit.
Nora denkt: von mir aus bis in alle Ewigkeit. Nirgendwo ist es schöner als so nah wie möglich bei Keath. Woher kommt das?
»Tut das gut, Mannomann, hast du mir gefehlt«, stöhnt Keath leise. »Absolut unerträglicher Gedanke, dich zu verlieren.«
»Nicht denken«, sagt Nora.
»Sag einfach: Ich verlass dich nie.«
»Ist das so einfach?«, fragt Nora. Plötzlich ist sie wieder ratlos.
»Wäre auf jeden Fall genial, wenn es so einfach wäre. Sich finden und für immer lieben«, murmelt Keath.
»Ja. Kannst du das versprechen?«
»Ich wünsche es mir.«
»Wenn wir die Türen zu unserem Luftschloss zugemacht haben und allein sind, kommt es mir vor, als wär alles so, wie wir es uns wünschen.«
Track #16
16 Vespa
Wann man mit Leifs Entlassung rechnen könne, darüber macht der Arzt nur vage Andeutungen. »Wenn es Komplikationen gibt, was nicht auszuschließen ist, dann ist Herr Borg sicherlich noch eine Woche lang hier.«
»Ich muss mit ihm sprechen«, sagt Mehmet.
»Herr Borg ist schwer misshandelt worden und neben vielen körperlichen Verletzungen schwer traumatisiert. Derzeit dürfen nur seine engsten Angehörigen zu ihm.«
Angehörige hat Leif nicht, zumindest keine, die in Hamburg leben und ihn besuchen kommen. Mehmet aber muss ihn unbedingt sprechen, doch ehe der Arzt ihn zu Leif lässt, muss er viel erklären: »Leif Borg ist mein Chef und enger Freund und während seiner Abwesenheit regele ich die Geschäfte. Ich muss Sachen mit ihm klären, die den Club betreffen und teilweise auch seine Privatsachen. Dazu muss ich mit ihm sprechen können.«
Erst als Leif Mehmets Besuchsgründe abnickt, zu mehr ist er kaum in der Lage, lässt der Arzt Mehmet im Krankenzimmer allein.
Leif sieht übel aus. Sein Gesicht ist geschwollen, blau, rot, grün,
teilweise genäht und verpflastert, seine Lippen sind aufgeplatzt, Schlüsselbein und linker Oberarm gebrochen.
Mehmet beschränkt sich auf beschwichtigende Worte und fragt, ob er sich um etwas kümmern kann: Pflanzen, Schriftwechsel, was auch immer, und nach Leifs Wünschen.
»Whisky. Ich sauf den 50 Jahre alten Glenfiddich leer, solang ich hier bin. Im Büro hinter dem kaputten Lautsprecher.« Es dauert und klingt verbittert und undeutlich, bis er es raus hat.
»Bring ich dir. Wir haben die Schlösser austauschen lassen, auch bei dir daheim und in der Garage. Ich hab je einen Schlüssel behalten, die anderen hat die Polizei.«
Leif, noch verbitterter: »Super.«
»Das Schwarzbuch hab ich verschwinden lassen. Ist bei mir zu Hause.« Mehmet weiß, wie und bei was Leif Steuern spart. Das wird vom Chef notiert, damit er nicht den Überblick verliert.
Für eine Sekunde leuchtet ein warmer Glanz von Dankbarkeit in Leifs Augen. »Bist ’n guter Typ, Mehmet.« Er stockt und sein Blick wird wieder unstet. »Sorry. Wenn ich raus bin, verkauf ich. Den Laden betrete ich nie mehr.«
Nein! Eine Katastrophe! Das ist zu früh! Mehmet versucht, sich nichts anmerken zu lassen. »Ist gut, aber überleg dir das in Ruhe, könnte sein, dass du nach dem Überfall nicht den besten Preis kriegst«, meint er nur.
Mehmet hat lange genug von Leif gelernt, wie man einen Club führt. Er hat exakte Vorstellungen, was er anders machen will. Für ihn ist es an der Zeit, sein eigener Chef zu werden.
»Also, gute Besserung, Leif. Bis morgen. Maika kommt später auch noch vorbei, ihre Mutter liegt auch hier.«
»Was?«
»Soll übel gestürzt sein«, sagt Mehmet und denkt, komisch, dass er nichts davon weiß.
Der U A- DJ - Çay - Vol.-6 -Mitschnitt ist nicht so gut gelaufen wie die Vorgänger. Seit der Polizeikontrolle im Club ist Nora ihrem Nebengeschäft nicht mehr mit derselben Efzienz nachgegangen. Jobs auf Fluchtbasis sind ihr ein Gräuel. Die Sache mit dem Kick, von dem die Sprayer erzählen, wenn sie nachts mit aneinanderklappernden Sprühdosen über Bahngleise schleichen und aus einer dunklen Ecke tönt es: Halt! Stehen bleiben! Polizei!, nee, nee, das ist nichts für sie. Spätestens nach ihrer nächtlichen Flucht vor der langen Glatze mit Pitbull weiß sie, dass für
Weitere Kostenlose Bücher