Leben bis zum Anschlag
vorbeistarren. Und dann klatscht ein Ast gegen das Fenster. Leif zuckt unwillkürlich zusammen, und in dieser Schrecksekunde verschwindet die Katze. Teufl ischer Spuk.
Leif dreht sich um und schließt mit allem, was ihm je etwas bedeutet hat, ab.
Er ist nicht mehr allein in seinem Büro.
Ich hab die Außentür nicht abgeschlossen, ist sein letzter Gedanke. Gelähmt vor Angst sieht er in Zeitlupe die Keule auf sich zukommen. Ein jäher Schmerz und Dunkelheit.
Mehrere Minuten lang wütet Ron mit der Baseballkeule, die er sich vom Oberneonazi seines Blocks ausgeliehen hat. Er tobt
sich erst im Büro, dann an der verspiegelten Bar aus. Als ihn ein Splitter an der Backe erwischt, macht er Schluss. Er hört Leif stöhnen und geht mit federnden Schritten zu ihm zurück. Wie ein Superhero post Ron vor Leif herum und fühlt sich mächtig.
Nach einem brutalen Tritt stöhnt Leif nicht mehr.
Die Strafe folgt auf dem Fuß. Ron nimmt die Ironie, die in diesem Spruch steckt, wahr. Er ist in eine Scherbe getreten, und die hat sich tatsächlich durch die Sohle seines Scheißturnschuhs durchgebohrt und noch ein Stück weiter in seine Fußsohle hinein.
Das Telefon auf Leifs Schreibtisch klingelt, als Ron sich im großen Saal umsieht, wo er hier auf die Schnelle den größtmöglichen Schaden anrichten könnte. Er nimmt das Läuten als Zeichen, doch besser den Rückzug anzutreten.
Mit einem Handgriff zieht sich Ron die Helm-Unterziehmütze mit Augenschlitz vom Kopf und ersetzt sie durch die Getränke Johnson -Kappe. Das steht auch hinten auf der hellblauen Jacke. Rons perfekte Tarnung. Vor drei Jahren hat er beim Lieferservice des Getränkemarkts gejobbt.
Dali steckt sein Handy weg. Der Chef geht mal wieder nicht ans Telefon, dabei sind sie genau jetzt verabredet, damit Leif den Andruck absegnen kann. Lieber einmal zu oft die Zustimmung einholen als einmal zu wenig. Unglaublich, wie vergrätzt der Chef sein kann, wenn er was blechen muss, was ihm nicht gefällt. Dalis blödsinnige Verspätung wird ihm genauso wenig gefallen. Eben erst kommt er von der Schulleitung, wo er nervige Fragen hätte beantworten sollen, was er nicht gemacht hat, weil das nur neue Fragen aufgeworfen hätte. Aber zu seiner großen Freude hat ihm die Schulsekretärin gesteckt, dass
Michael Schuhmacher von der Schule geflogen sei und seine schulischen Unterlagen heute schon einem nordzypriotischen Internat zugegangen seien. Tröstliche Nachrichten.
Dali steigt in die Pedale.
Leifs Rad ist nicht da, stellt er fest, als er in den Hinterhof brettert. Aber der Chef muss hier sein, die Clubtür steht auf.
»Hallo!« Er lauscht im Vorraum, keine Antwort. Und dann knirscht es auch schon unter seinen Sohlen, er sieht die zerstörte Bar und läuft los. Zuerst in den großen Raum, dann ins Büro. Er sieht Leif in seinem Blut liegen und alarmiert geschockt Notarzt, Polizei und die Freunde.
Knapp zwei Minuten später stürmt Mehmet in den Club. Sofort und so unauffällig, dass nicht einmal Dali es bemerkt, lässt er das schwarze Leinenbuch im DIN-A4-Format vom Schreibtisch verschwinden. Leif kriegt nicht mal seinen eigenen Abtransport mit.
In dem Moment, als er schwer verletzt mit der Trage im Krankenwagen festgeschnallt wird, kommt Maika angekeucht.
Blaulicht, Blut und Panik. Das darf nicht wahr sein! Sie hat das entsetzliche Gefühl, in einem Déjà-vu oder einer Endlosschleife festzustecken, und fängt an zu zittern.
Nora springt von Keaths Vespa, und Dali überlässt es ihr, sich um Maika zu kümmern.
Keath stürmt in den Club und hilft Mehmet, nach Leifs Schlüsselbund zu suchen. An dem hängen seine Wohnungs- und Autoschlüssel. Weder sein Auto noch das Fahrrad stehen im Hinterhof.
Die Polizisten nehmen die Beschreibung der drei Pitbull-Schlägertypen auf und alarmieren ihre Kollegen in der Hafencity. Die Türen zu Leifs Wohnung und Garage müssen gesichert werden.
Der Chef des dreiköpfigen Untersuchungsteams spricht Mehmet und Keath als Leifs Stellvertreter an: »Der Club wird für die Dauer der Ermittlungen geschlossen.«
Schock. Mehmet interveniert: »So ruinieren Sie unseren Chef auch noch finanziell!«
»Wir können keinen Tatort untersuchen, wenn dabei Leute rumtanzen. Ist doch klar«, erklärt der Polizist.
»Die gebuchten Gruppen und DJs kriegen ein Ausfallhonorar! Das ist Ihnen auch klar?«, regt sich Mehmet auf.
»Du kriegst sofort Bescheid, wenn ihr die Sauerei aufräumen könnt.«
»Wir brauchen neue Schlösser für den
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