Leben im Käfig (German Edition)
dunkelgrüne Packpapier auf dem Küchenschrank kam, wusste er nicht. Seine Mutter wickelte mit Sicherheit keine Geschenke von Hand ein. Um seine Schüchternheit zu überspielen, ging Andreas stramm auf Sascha zu und warf ihm das Päckchen in den Schoss.
Aus seinen Gedanken gerissen sah Sascha auf: „Was ist das denn?“ Seine Augen waren groß wie Murmeln. „Für mich?“
„Nein, das habe ich bekommen, aber ich dachte, du möchtest es vielleicht auspacken“, entgegnete Andreas ironisch und sehr viel verlegener, als ihm anzusehen war. „Natürlich für dich. Alles Gute zum Lappen.“
„Das ist krass“, erwiderte Sascha sprachlos. Vorsichtig wendete er das Geschenk in seinen Händen. Seine Finger strichen über das Papier und Andreas schauderte innerlich bei dem Gedanken, was diese Finger bei ihm anrichten könnten. Schnell schob er die Vorstellung beiseite.
„Soll ich es aufmachen?“
„Geschlossen bringt es dir nicht viel, würde ich sagen.“
„Mach dich nicht über mich lustig“, drohte Sascha mit dem ersten Grinsen des Tages auf den Lippen. Dann zerfetzte er das Papier. Geduld war nicht seine größte Stärke. Er wog das Buch, das zum Vorschein kam, in den Händen und sah mit einem merkwürdig weichen Gesichtsausdruck zu Andreas auf: „Das hast du dir gemerkt?“
„Ich habe meine hellen Momente“, gab Andreas zufrieden zurück, als er sah, dass Sascha sich freute. Es war nur eine Kleinigkeit, aber eben eine Kleinigkeit, von der sie vor einigen Wochen gesprochen hatten. Bei dem Geschenk handelte es sich um die illustrierte Ausgabe eines Bestseller-Romans; aufwendig gebunden und im Inneren mit Zeichnungen und Bildern versehen, die den Verlauf des Romans unterstrichen.
Umsichtig blätterte Sascha durch die ersten Seiten, bevor er das Buch auf den Schreibtisch legte.
Er stand auf, kam Andreas entgegen und für einen kurzen Moment sah es aus, als wolle er den Freund umarmen. Nichts hätte Andreas lieber getan, als sich für einen kurzen Moment an Sascha zu drängen und an seinem Hals zu riechen. Am Ende blieb es jedoch bei einem männlich-festen Handschlag.
„Danke“, raunte Sascha schlicht und senkte den Blick, bevor er einen Schritt zurücktrat und sich reichlich aufgesetzt die Hände rieb: „Wie sieht es aus? Wolltest du mir nicht eine Lektion in Sachen Xbox erteilten?“
Ja, wollte Andreas. Nur war er gerade nicht sicher, ob er dazu in der Lage war. Seine Finger kribbelten und wollten wie die Reinkarnation des eiskalten Händchens auf Sascha zukrabbeln. Nur einmal zufassen dürfen, nur ein einziges Mal.
Aber ein Großmeister an der Konsole fand natürlich bald seinen Rhythmus. Wieder einmal verflossen Stunden, während sie gegeneinander spielten. Gegen Mittag organisierte Andreas etwas zu essen und sie redeten über dies und das, während die bunten Bilder über den Fernseher flimmerten. Sie feuerten sich gegenseitig an, beleidigten sich freundschaftlich und nach außen hin sah es aus, als wäre alles wie immer.
War es aber nicht. Ganz und gar nicht.
Andreas wusste nicht, warum, aber etwas stand zwischen ihnen. Er konnte es fühlen. Oder war er hysterisch? Hatte Sascha es ihm übel genommen, dass er gestern nicht erreichbar gewesen war? Möglich, aber für so etwas war er nicht der Typ. Anders herum, ja. Andreas spürte jedes Mal Eifersucht oder zumindest Sehnsucht in sich keimen, wenn Sascha keine Zeit für ihn hatte. Irgendetwas war im Busch, aber weil er war, wie er war, fragte er nicht. Teils, weil er kein Recht dazu hatte, teils, weil er sich vor der Antwort fürchtete.
Die angespannte Stimmung und die ungestellten Fragen strengten Andreas an. Nach den Ereignissen vom vorigen Tag war sein Nervenkostüm dünner als sonst. Sein Versuch, das Haus zu verlassen und das lange Warten auf eine Rückmeldung von Sascha hatten ihn viel Kraft gekostet. Entsprechend verfiel er nach dem auf dem Teppich eingenommenen Mittagessen in eine Trägheit, die seine Lider schwer werden ließ.
Schließlich legte er den Controller beiseite und gähnte: „Wollen wir erst mal einen Film ansehen? Ich falle gleich um.“
„Du sitzt schon“, erinnerte Sascha ihn.
„Du weißt, was ich meine“, murmelte Andreas und kroch schwerfällig auf die Matratze. Wie ein Schiffbrüchiger, der an den Strand geschwemmt wird, streckte er sich aus. „Such dir was aus.“
Sascha folgte dem Angebot, aber er brauchte auffallend lange dafür. Wenn Andreas es nicht genau gewusst hätte, hätte er vermutet, dass sein
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