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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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war mit der Villa – oder zumindest mit Flur, Bad und Andreas' Zimmer - mittlerweile fast ebenso vertraut wie mit dem Haus seiner Tante.
    „Hey“, grinste Andreas und hatte zum ersten Mal seit dem Vortag das Gefühl, dass seine Laune sich hob. So leicht konnte es sein. Die Aussicht auf einen ganzen Tag mit Sascha in der Ruhe seines Zimmers und sofort ging es ihm besser. Er war sich nicht sicher, ob das erbärmlich oder bewundernswert anspruchslos war.
    „Entschuldigung?“, ertönte in diesem Moment die Stimme seines Vaters von der Treppe. Schwere Schritte brachten die Stufen zum Knarren, als er sich ihnen näherte. „Darf ich erfahren, wer das ist?“ Es klang unhöflich, aber bei genauerer Betrachtung schwang vor allen Dingen Überraschung in seiner Stimme mit. Hören wollte Andreas weder das eine noch das andere.
    „Das ist Sascha. Wir sind Freunde. Er geht hier seit ... keine Ahnung ... zwei Monaten ein und aus“, knurrte der Sohn des Hauses vielsagend und zog eine Augenbraue hoch, als er seinen Vater über die Schulter hinweg ansah. Die Botschaft war deutlich: Wenn du bis jetzt nicht gemerkt hast, dass ich Besuch bekomme, brauchst du heute deine Nase auch nicht in meine Angelegenheiten stecken.
    Für einen Moment sah es aus, als wollte Richard von Winterfeld etwas sagen, aber er hielt sich zurück. Er war zu sehr Geschäftsmann, um vor einem Fremden eine Szene zu machen. Contenance war das Zauberwort. Entsprechend nickte er lediglich geradezu huldvoll und sagte: „Guten Morgen. Wir sind dann im Esszimmer.“
    Dass der kleine Zusammenstoß ein Nachspiel haben würde, war klar. Und es machte Andreas Spaß, noch ein wenig Öl ins Feuer zu gießen.
    „Hast du schon gefrühstückt?“, fragte er liebenswürdig in Saschas Richtung. „Ich könnte uns etwas aus der Küche holen.“
    „Ne, lass mal“, gab der Freund zurück und überraschte Andreas damit. Sascha hatte noch nie Essbares abgelehnt. Er war geradezu eine Fressmaschine. Na, vermutlich war ihm der wenig einladende Auftakt des Besuchs auf den Magen geschlagen.
    Angekommen in der Sicherheit des Zimmers kam jedoch der nächste Punkt, der Andreas milde verwunderte und in der Tiefe seines Herzens nervös machte. Nervös und vielleicht ein bisschen gereizt, weil er sich auf einen entspannten Tag gefreut hatte.
    Sascha nahm nicht wie üblich seinen Lieblingsplatz auf dem Bett ein – oder wenigstes vor dem Bett, um zu spielen -, sondern setzte sich auf den Schreibtischstuhl. Andreas konnte sich nicht daran erinnern, dass er das bisher auch nur ein einziges Mal getan hätte. War etwas nicht in Ordnung? Er musterte den stummen Freund. Sollte er nachfragen? Nein. Seine Bauchgefühl riet ihm davon ab. Oder seine Feigheit.
    „Na, wie fühlt man sich, wenn man endlich seinen Führerschein hat?“, suchte er das Gespräch, während er sich vor den Fernseher kniete und nachsah, welche Konsole angeschlossen war.
    „Ziemlich gut“, gab Sascha zu. Es klang nicht überzeugend. Anscheinend merkte er es selbst, denn er fügte schnell hinzu: „Naja, wenigstens kann ich meinen Eltern jetzt sagen, dass ich es geschafft habe, und muss ihnen nicht noch mehr Kohle aus der Tasche ziehen. Darüber bin ich echt froh.“
    Andreas nickte. Er konnte diese Empfindungen nicht ganz nachvollziehen. Bei den von Winterfelds war Geld kein Thema, weil genug davon da war. Außerdem glaubte er, dass er das Recht hatte, gut von dem Vermögen seiner Familie zu leben. Erstens gehörte der Konzern ihm praktisch schon und zweitens hatte er sonst nicht viel vom Leben – da konnte er es sich wenigstens in materieller Sicht gut gehen lassen.
    Saschas Bemerkung beruhigte ihn. Das war es also. Der Haussegen bei den Suhrkamps hing schief oder zumindest hatte sich eine alte Wunde wieder geöffnet. Kein Wunder, dass sein Freund ein langes Gesicht machte.
    Hatte er wirklich mit etwas anderem gerechnet? Innerlich wischte Andreas sich dennoch über die Stirn. Die Angst, dass Sascha ihm eines Tages ansehen könnte, was er für ihn empfand, begleitete ihn bei jeder Begegnung. Sie war aber nicht groß genug, um den Kontakt zu vermeiden.
    Na, er wusste schon, wie er Sascha aufheitern konnte. Andreas griff hinter sich ins Regal, wo das frisch verpackte Päckchen lag. Er hatte improvisieren müssen, nachdem er in seiner Angst das Geschenkpapier vom Lieferanten zerrissen hatte. In aller Frühe hatte er das halbe Haus durchsucht und war schließlich bei Ivana in der Küche fündig geworden. Woher das

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