Leben im Käfig (German Edition)
ihm vielleicht besser.
Andreas, Andreas, Andreas. Sascha fand es beunruhigend, dass sich all seine Gedanken plötzlich um ihn drehten.
Entschlossen schob er den gestrigen Tag beiseite und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt. Auf seinem Barhocker sitzend drehte er sich halb um; die Bierflasche fest in der Hand.
Entgegen seiner Erwartung waren nicht nur Männer in der Bar, aber sie waren deutlich in der Überzahl. Das bunte Treiben gefiel Sascha. Die Alterspanne der Gäste zog sich von 16 bis Ende 30, schätzte er. Das Publikum folgte keinem bestimmten Trend, sondern setzte sich aus den verschiedensten Leuten zusammen.
Braun gebrannte Sportler, schüchterne Brillenträger, unauffällige Bürotypen, „Out-and-proud“-Prinzessinnen, feminine Charaktere, dominant auftretende Alphatiere, vom blonden Twink bis zum farbigen Bollwerk war alles dabei.
Sascha empfand diese Mischung als Erleichterung. In der Lederszene oder in einer Kneipe, in der das Publikum das zwanzigste Lebensjahr kaum überschritt, hätte er sich nicht wohlgefühlt.
Seitdem er sich an die Bar gesetzt hatte, hatte er interessierte Blicke auf sich gezogen. Er war nicht spektakulär gut aussehend, aber seine Ausstrahlung und gepflegte Erscheinung erzielten eine Wirkung bei anderen Männern. Danach suchte er. Nicht für sein Selbstwertgefühl, seine Motive waren weniger subtil. Er suchte auch nicht den Mann fürs Leben; eher für ein paar Minuten. Die brauchte er dafür aber umso dringender.
Als sich ein paar Minuten später ein Fremder in sein Sichtfeld schob, wusste Sascha von Anfang an, auf was es hinauslaufen würde. In aller Schnelle prüfte er den lächelnden Mittzwanziger asiatischen Ursprungs. Er war kleiner als er, deutlich sogar, und ein wenig zu schlank für seinen Geschmack. Sascha mochte es, wenn man an den Oberarmen und Schultern etwas zu fassen bekam. So wie bei ... egal.
Die bläulich-schwarzen Haare fand er dafür umso anziehender; ebenso wie die schmalen Hüften und den dünnen, aber nichtsdestotrotz sinnlichen Mund. Ja, das sah vielversprechend aus.
„Neu hier?“, lächelte der andere Mann einladend.
„Relativ neu“, gab Sascha zurück. Es war nur Small Talk und sie wussten beide, dass sie kein Interesse daran hatten, sich wirklich zu unterhalten. Manchmal gab es Augenblicke – oder viel mehr Begegnungen -, wo von vorneherein die Grenzen und Ziele klar abgesteckt waren. Einen großen Balztanz gab es nicht. Man sondierte sich gegenseitig, stellte fest, ob der Funken zündete, und schwamm anschließend mit dem Strom.
Sie stellten sich nicht vor, sprachen ein paar belanglose Sätze miteinander, während Sascha sein Bier austrank. Kaum hatte er den letzten Schluck genommen und die Flasche auf den Tresen gesetzt, schob sein neuer Bekannter sich in eindeutiger Absicht zwischen seine Beine. Er suchte noch einmal Saschas Blick, fand die Zustimmung darin und küsste ihn fordernd.
Der Kick passte. Sascha spürte fast sofort das Summen in seinem Leib und gab ihm ohne zu zögern nach. Die Hände, die sich auf seine Flanken legten, erfüllten ihren Zweck, erregten ihn und versprachen mehr.
Als sie sich voneinander lösten, beugte der Asiate sich dicht zu seinem Ohr und murmelte: „Gehen wir nach draußen? Nicht weit von hier ist eine ruhige Ecke.“
„Ruhige Ecke?“, echote Sascha wenig begeistert. Er hatte es gerne bequem, wenn es zur Sache ging; vermutlich eine Art angeborene Faulheit. Ein Bett brauchte er nicht, aber zumindest eine gerade Liegefläche oder eine Sitzgelegenheit.
„Nicht? Mein Auto steht auch nicht weit von hier.“
Das war besser. Sascha nickte und bezahlte seinen Bierdeckel. Er hinterließ vor lauter Eile ein viel zu großes Trinkgeld. Die fremden Hände streichelten dabei von hinten seinen Bauch. Gemeinsam verließen sie die Bar. Sie küssten sich auf dem Weg zum Parkplatz. In der Dunkelheit zwischen zwei Straßenlaternen spürte Sascha schon tastende Finger, die sich vorne auf seine Hose legten, und ihm zusätzlich einheizten. Es sah aus, als würde er bekommen, wonach er gesucht hatte.
„Komm“, raunte sein Trick mit einem verwegenen Lächeln und zog ihn zu einem schäbigen, alten VW. Nicht gerade spektakulär – genau wie sein Besitzer -, aber für das, was sie vorhatten, geeignet. Kaum, dass Sascha auf dem Beifahrersitz saß, war der andere Mann über ihm. Er schloss die Augen und ließ sich treiben.
Zwanzig Minuten später stieg Sascha an der Haltestelle St. Pauli in die U-Bahn. Die
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