Leben im Käfig (German Edition)
Klirren des Schlüssels, das Schlagen der Zimmertür und auf einmal war er allein.
Sascha konnte den Ereignissen nicht folgen. Nicht sein Körper und sein Verstand erst recht nicht. Was war passiert? Andreas hatte doch ... Moment. Sie hatten sich ... oder nein, Sascha hatte seinen engsten Freund ... und der hatte ... sich gut angefühlt. So gut. Aber anscheinend ... aber er hatte doch ... er hatte es genau gespürt. Das hatte er sich nicht eingebildet. Allerdings ... Vielleicht ...
Gott, was machte er hier? Das konnte er später für sich sortieren. Offenbar hatte er Andreas einen riesigen Schreck eingejagt. Wer wusste, wo er jetzt war? Sascha rieb sich über das Kinn und verzog das Gesicht. Zum Glück hatte er sich nicht auf die Zunge gebissen oder so fest die Zähne aufeinander geknallt, dass etwas abgebrochen war.
Seine Knie waren ordentlich weich, als er aufstand und aus dem Zimmer in den Flur spähte. Hoffentlich war Andreas nicht seinen Eltern in die Arme gelaufen. Obwohl, waren die nicht vorhin weggefahren? Ja, Sascha hatte sie unten gehört. Sie hatten sich nicht von ihrem Sohn verabschiedet.
Er holte tief Luft und horchte intensiv in das große Haus hinein. Das Plätschern von Wasser führte ihn auf die richtige Spur. Zögernd näherte er sich dem Badezimmer. Mehrere Minuten wartete er vor der Tür. Nichts rührte sich. Was tat Andreas dort drinnen? Hielt er seinen Kopf unter den Wasserhahn?
Sascha nahm seinen Mut zusammen und klopfte an. Keine Reaktion. Die Klinke nach unten zu drücken, wagte er nicht. Er wollte nicht aufdringlich sein, wobei er sich eingestehen musste, dass er heute schon aufdringlich genug gewesen war. Schließlich räusperte er sich und fragte heiser: „Andreas? Ist alles in Ordnung?“
Eine saudumme Frage, auf die er prompt keine Antwort bekam. Langsam glitt er nach unten und stützte den Rücken gegen den Türrahmen, bevor er sagte: „Es tut mir leid. Ich hätte das nicht machen sollen. Komm, red' mit mir, bitte.“
Dumpf tönte es aus dem Bad zurück: „Was soll ich denn sagen?“
„Weiß nicht, ich glaube, es gibt eine Menge zu sagen“, begann Sascha, wurde aber von einem Knall auf der anderen Seite unterbrochen.
„Ja, das finde ich auch!“ Er hatte Andreas noch nie so hysterisch erlebt. Seine Stimme überschlug sich und er hatte Schwierigkeiten, die Zunge richtig um seine Worte zu schlingen. „Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Du kannst doch nicht einfach herumrennen und irgendwelche Leute küssen. Schon gar keine anderen Kerle! Was ist los? Deine Freundin zu weit weg oder was?“
Sascha seufzte. Er hatte gewusst, dass sich seine Notlüge eines Tages rächen würde. Was hatte er sich nur gedacht? Gar nichts, das war ja das Problem.
„Hör mal, ich bin ...“, wollte er die Dinge geradebiegen, als erneut ein Schlag erklang, gefolgt von einem ungesunden Krachen.
„Nein, halt die Klappe!“, wurde er finster unterbrochen. „Ich will nichts hören. Gar nichts. Verschwinde einfach. Ich will nicht mit dir reden. Geh.“ Eine kurze Pause, dann fügte Andreas resigniert klingend hinzu: „Du kannst nicht so eine Nummer abziehen und hinterher erwarten, dass ich mit dir rede. Geh.“
„Heißt das, ich brauche mich nicht wieder hier blicken lassen?“ Sascha wusste nicht, warum er das fragte, aber auf einmal war es wichtig für ihn, dass dieser Punkt geklärt war. Wieder berührte er sein schmerzendes Kinn, fast sicher, dass er keine Antwort bekommen würde.
Es dauerte viel zu lange, bis Andreas sich wieder regte: „Das habe ich nicht gesagt. Aber ... ich melde mich bei dir. Nicht anders herum. Und jetzt lass mich allein.“
Und Sascha tat ihm den Gefallen mit dem dumpfen Gefühl, etwas ganz Elementares falsch gemacht zu haben.
Kapitel 22
Im Internet gibt es Videos, in denen neugierige Menschen die verschiedensten Dinge in die Mikrowelle stecken, um zu sehen, was passiert. Schaumküsse, Kunststoff, Metall – man muss schließlich herausfinden, warum man so etwas laut Herstelleranweisung vermeiden sollte – und Fleischwurst. Wer je eine Mikrowelle geöffnet hat, in der eine Fleischwurst explodiert ist, kennt die Schweinerei, die ein bis dahin unschuldiges Lebensmittel verursachen kann. Fleischreste am Boden, am Heizstab, an den Seitenteilen, auf dem Drehteller und in den Luftschächten. Kleine Fetzen, großen Fetzen, Feuchtigkeit, Chaos.
Genauso fühlte Andreas sich. Als wäre sein Gehirn zu lange erhitzt worden, bis es sich ausdehnte und
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