Leben im Käfig (German Edition)
Wärme in seiner Brust ließ schnell nach, als er sich in den hinteren Teil des Wagens setzte und den Kopf an die schmutzige Glasscheibe lehnte. Sein Körper fühlte sich gut an, aber die nahezu zwanghaften Gedanken an Andreas hatten mit dem Intermezzo im Auto kein Ende gefunden.
Nein, es hatte nicht funktioniert. Sascha hatte glauben wollen, dass sich seine eigenartige Fixierung vom Vortag löste, wenn er etwas Dampf abließ und sich austobte. Er war fest davon ausgegangen, dass eine Art Notstand ihn so heftig auf Andreas' Anblick reagieren ließ. Und natürlich die frische Erkenntnis über dessen Orientierung. War es da nicht logisch gewesen, anderweitig Druck abzubauen? Anscheinend nicht.
Gott ja, es hatte gut getan. Die Finger, das Küssen, die Nähe, die Geräusche, der warme Atem an seinem Hals und auf seinem Gesicht. Aber es war nicht genug. Saschas Hände klebten noch vom Sperma des anderen Typen, als er mit den Gedanken schon wieder in den von Winterfeld-Villa war.
Bei Andreas und dem Eingeständnis, dass er all das, was er in den vergangenen Minuten gegeben und genommen hatte, lieber mit seinem besten Freund geteilt hätte.
Und verdammt, wann war Andreas eigentlich zu seinem besten Freund geworden? Sascha hatte nie das Verlangen nach einem engen Freund gehabt. Viele Menschen, Partys, das war ihm wichtig gewesen. Nicht die Bindung an eine einzelne Person.
Müde legte er die Schuhe auf den gegenüberliegenden Sitz und breitete die Arme über die Lehne seiner Bank aus. Sie waren morgen verabredet. Sicher, dass er bis dahin wieder normal denken und fühlen würde, hatte er Andreas versprochen, den ganzen Tag mit ihm zu verbringen.
Wie sollte er das machen, wenn er immer noch so verdammt rollig war? Wie sollte er sich zusammennehmen? Darin war er nicht gut. Schon gar nicht, wenn ihm jetzt schon bei dem Gedanken, der Erste zu sein, der Andreas nahe kam, ganz anders zumute wurde. Unberührtes Terrain. Er wollte erleben, wie sein Gesicht aufleuchtete, nachdem er ihn geküsst hatte. Er wollte das Privileg, als Erster diesen flachen Beckenbogen mit der Zunge nachzuziehen, für sich.
Und das war ganz schön gruselig.
Kapitel 21
Vielleicht war er ein winziges bisschen launisch. Stolz war er nicht darauf, aber es gab Tage, an denen man nur das Schlechteste sehen konnte – in sich selbst, in anderen Menschen, in jeder Fliege an der Wand. Und an diesen Tagen war Andreas' Bereitschaft, sich mit anderen Leuten herumzuschlagen oder ihren Erwartungen gerecht zu werden, nicht vorhanden.
„... wenigstens ab und zu am Sonntag mal mit uns frühstücken. Du würdest deiner Mutter eine große Freude machen.“
„Ich will aber nicht und ich habe keinen Hunger.“
„Andreas“, versuchte Richard von Winterfeld es mit einem scharfen Unterton. „Ich möchte, dass du mit nach unten kommst. Eine halbe Stunde wirst du ja wohl entbehren können.“
Konnte er, wollte er aber nicht. So einfach war das. Was sollte das auch?
Seine geschätzten Eltern waren nie daheim. Sie waren nicht da gewesen, als er gestern Abend mit infernalischer Laune ins Bett kroch und schon gar nicht vorher, als er wie ein Vollidiot vor dem Haus herumtorkelte. Und jetzt wollten sie etwas von ihm? Wollten seine Gesellschaft, wenn ihnen danach zumute war? Der Hamster wurde aus dem Käfig genommen, wenn das Kind ihn streicheln wollte? Wer war er, ihr Hampelmann?
„Kann ich nicht“, gab Andreas stur zurück. „Ich bin noch nicht einmal richtig wach.“
„Und ich habe keine Lust, mich durch die Tür mit dir zu unterhalten. Junge“, entgegnete sein Vater mit einem Hauch Resignation in der Stimme. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er aufgab.
Dass es ausgerechnet in diesem Augenblick klingelte, war nicht ideal, aber Andreas herzlich egal. Im schlimmsten Fall würde es zu einer Szene kommen, und wenn er ehrlich war, hätte er nichts dagegen gehabt. Er hatte oft das Gefühl, dass es Zeit für einen richtigen Krach war, aber darauf ließen seine Eltern sich nie ein.
Schade eigentlich.
Er sprang von seinem Bett auf und stürmte auf den Flur; vorbei an Richard, der ihm überrascht nachsah und ihm anschließend langsam die Treppe hinunter folgte.
Andreas unterdrückte ein Lächeln. Wenigstens darauf konnte man sich verlassen. Sascha hatte gesagt, er würde früh kommen, und das hatte er wörtlich gemeint. Wie spät war es? Kurz vor neun? Er riss die Haustür auf.
„Morgen“, grüßte Sascha und trat ohne weitere Einladung ein. Er
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