Leben im Käfig (German Edition)
dort nichts als Leere vor. Andreas war fort, hatte sich in die Trutzfestung seiner Selbst zurückgezogen und Sascha vor dem Burggraben stehen lassen.
Mit erhobenem Kopf schritt Andreas aus dem Wohnzimmer und machte sich auf den Weg nach oben. Instinktiv suchte er den Schutz seiner eigenen vier Wände, um seine klaffenden Wunden zu lecken. Das Letzte, was er bewusst wahrnahm, war das Schlagen der Haustür.
Kapitel 38
Nicht mehr lange und der Mist, den er fabriziert hatte, würde ihm über den Kopf kriechen, bis er in der Jauchegrube seines Daseins versank.
Sascha hatte eine grauenhafte Nacht voller wirrer Überlegungen, Zweifel und Alpträume hinter sich; gefolgt von einem frostigen Morgen ohne ein Wort von seiner Mutter. Katja hatte ihm zum Abschied umarmt und nach einigem Zögern auch sein Vater.
Danach war Stille im Haus der Holmes eingekehrt.
Der schweigsame Aiden hatte sich die Schlitten unter den Arm geklemmt und war mit seinen Sprösslingen rodeln gegangen. Fabian und Sina wichen kaum von seiner Seite, seitdem er wieder daheim war. Sie hatten ihren Vater sehr vermisst. Nach allem, was Sascha über den gelassenen Amerikaner wusste, konnte er sie gut verstehen.
Tanja hatte dankend auf den Familienausflug verzichtet und sich daran gemacht, dem Chaos im Haus Herr zu werden. Sascha hatte sie weinen sehen, während sie den Flur saugte und sich augenblicklich noch schlechter gefühlt.
Es schien, als könne er nichts richtig machen. Er fühlte sich, als wäre er aus Versehen in Williams Sleators „Haus der Treppen“ gestolpert. Als wäre er in einem Haus gefangen, in dem sich wirre Treppenhäuser mit unbekanntem Ursprung und fremdem Ziel aneinanderreihten. Auf den einzelnen Absätzen standen die Menschen in seinem Leben, die er alle erreichen musste und wollte; ohne zu wissen, wie.
Erschwerend kam hinzu, dass ihm nur wenig Zeit blieb und er mit Sicherheit nicht alle zeitnah finden konnte.
Er musste sich entscheiden. Wohl wissend, dass es nicht möglich war, sich Person A zuzuwenden, ohne Person B vor den Kopf zu stoßen.
Sascha rieb sich über das unrasierte Kinn und zog mit dem Fingernagel die Maserung seines Schreibtisches nach. Der Gedanke, seinen Rucksack zu packen, zum Bahnhof zu marschieren und den erstbesten Zug ins Nirgendwo zu nehmen, war verlockend.
Wie sollte er allen gerecht werden, sich um alles kümmern, an allen Fronten kämpfen?
Die Liste schien endlos, das Ergebnis bitter.
Mit seiner Mutter konnte es auf Dauer nicht auf diese Weise weitergehen. Das wusste er nur zu gut. Allerdings sah er bei ihr schon seit Monaten keine Bereitschaft, ihm entgegen zu kommen. Keine Bewegung, keine Veränderung. Wie sollte er ihr begreiflich machen, dass er keiner Krankheit anheimgefallen war, sondern schlicht Männer attraktiv fand? Und dass er daneben immer noch derselbe war wie zuvor?
Wenn er ehrlich war, wollte er nicht mehr. Wollte ihr nicht hinterher rennen, nicht um ihre Anerkennung werben, nichts mit einer Frau zu tun haben, die sich für ihn schämte.
Sein Vater dagegen war eine andere Sache. Sascha hätte es sich nicht träumen lassen, aber bei ihm glaubte er, Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Vermutlich sollten sie miteinander reden, versuchen, sich näher zu kommen. Außerdem sollte Sascha vielleicht signalisieren, dass er dankbar für die Sicherheit war, die sein Dad ihm anbot.
Aber was, wenn er sich seinem Vater näherte und seine Mutter außen vor ließ? Würde das nicht Krach in der Ehe seiner Eltern nach sich ziehen?
Katja war ein Thema für sich. Sie war stark und ließ sich nicht verbiegen, aber der Fokus von Karen Suhrkamp lag in diesen Tagen darauf, nicht auch noch ihre Tochter zu verlieren. Dem Druck würde Katja nicht ewig standhalten, zumal sie von Natur aus nicht der Traumvorstellung ihrer Mutter entsprach. Katja kämpfte nun alleine, wo sie früher Schulter an Schulter gestanden hatten.
In Hamburg ging es weiter.
Gott, Sascha schuldete Tanja etwas. Egal, was sie sagte und wie sehr sie ihm vermittelte, dass sie ihn liebte. Die Ringe unter ihren Augen und die versteckten Tränen beim Staubsaugen sprachen eine eigene Sprache. Karen und Tanja waren im Unfrieden auseinandergegangen. Das war deutlich zu spüren gewesen.
Aiden war Saschas geringstes Problem, aber er fürchtete den Tag, an dem sein Onkel ihn beiseite nehmen und sagen würde, dass er aufhören solle, seine Familie zu stressen. Denn auch Fabian und Sina waren quengelig und schlecht gelaunt. Sie waren zu
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