Leben im Käfig (German Edition)
kurz gekommen.
Dass ihr cooler, großer Cousin über die Feiertage mehrfach die Nerven verloren hatte, hatte sie erschüttert. Sie waren es, die vielleicht am meisten unter der schlechten Stimmung gelitten hatten und es am wenigsten sollten.
Als wäre das Familiendilemma nicht schlimm genug, hatte Sascha sich auch noch gedankenlos in eine Situation manövriert, in der er entweder ein Versprechen brechen oder seinen Freund im Stich lassen musste. Seine Klassenkameraden enttäuschen oder zulassen, dass Andreas an Silvester einsam im Bett lag und an die Decke starrte.
Warum hatte er sich nur von Isa bequatschen lassen? Warum hatte er nicht nachgedacht? Und warum war Andreas immer stumm wie ein Fisch, wenn es wichtig war?
Sascha räusperte sich und richtete sich auf. Er hasste es, sich entscheiden zu müssen, aber er hatte es getan.
In den langen, einsamen Stunden im Morgengrauen, in denen er sich selbst einer strengen Befragung unterzogen hatte. Lange hatte er abgewogen, wo seine Prioritäten lagen. Es wäre zum Beispiel nett von ihm, Tanja beim Aufräumen des Hauses zu helfen. Sie verdiente seine Unterstützung. Aber dafür hatte er schlicht keine Zeit.
Es gab jemanden, der ihn mehr brauchte. Und es gab einen Steinschlag in der Frontscheibe seiner ersten Beziehung, der repariert werden musste, bevor das Glas riss.
Anstrengend, ein Teil von ihm empfand das, was zwischen Andreas und ihm vor sich ging, als zu anstrengend. Nicht im Allgemeinen, sondern weil außen herum so vieles im Argen lag. Und weil er bei Andreas nie wusste, wie er reagieren würde. Mal schenkte er Verständnis, wo Sascha kein Verständnis gehabt hätte, dann wieder reagierte er heftig auf Situationen, die sich im Grunde leicht klären ließen.
Egal, sie würden einen Weg finden.
Kurz entschlossen griff Sascha nach seinem Handy. Er würde das Chaos in seinem Leben aufräumen. Schritt für Schritt. Wenn er sich jetzt nicht sortierte, würde er den Verstand verlieren. Er würde tun, was nötig war, und darauf bauen, dass seine Bemühungen auf fruchtbaren Boden fielen. Auch er wollte zu Silvester Frieden in seinem Leben haben, bevor die Ferien endeten und sich mit riesigen Schritten das Schreckgespenst Abitur am Horizont abzeichnete.
Isabell meldete sich nach kurzem Klingeln mit einer Stimme, die auf eine dicke Erkältung schließen ließ: „Sascha, das ist aber nett, dass du anrufst. Bist du gut über die Feiertage gekommen? Ich habe Heiligabend auf der Couch gelegen und sterbender Schwan gespielt. Blöde Grippe.“
„Hallo, Isa“, erwiderte Sascha und biss sich auf die Unterlippe, bevor er sich stumm anfeuerte und hinzufügte: „Ich habe schlechte Nachrichten.“
Sie schwieg eine Sekunde, bevor sie krächzte: „Nicht dein Ernst, oder? Du willst mir ja wohl nicht sagen, dass du nicht zu unserer Party kommst.“
„Doch.“
„Hast du mir nicht mal erzählt, dass man sich auf deine Versprechen verlassen kann? Mann, was soll denn das wieder?“
Sascha zuckte ein wenig zusammen. Zum einen, weil Isas Stimme sich an seinem Ohr überschlug und mehr denn je wie ein Reibeisen klang, und zum anderen, weil sie natürlich recht hatte.
Sascha legt viel Wert darauf, seine Versprechen zu halten. Das und nur das hatte es ihm in der Nacht so schwer gemacht, eine Entscheidung zu fällen. Aber er war zu dem Schluss gekommen, dass er an dieser Stelle ehrlich sein musste. Er konnte nur hoffen, dass Isa Verständnis für seine Lage hatte.
„Ich erkläre es dir, wenn du mir versprichst, dass das, was ich dir anvertraue, unter uns bleibt.“
Er ging diesen Schritt nicht gerne, aber er war Isabell eine Erklärung schuldig, wenn er kein Trümmerfeld hinterlassen wollte.
„Soll ich es dir wirklich versprechen oder so, wie du Sachen versprichst?“, ätzte Isa, nur um etwas versöhnlicher zu sagen: „Okay, sorry, ist mir so herausgerutscht. Versprochen. Aber ich hätte schon gerne gewusst, warum du uns schon wieder hängen lässt. Hast du keinen Bock auf uns oder was?“
„Blödsinn“, seufzte Sascha. Noch konnte er zurück. Er konnte von seinem desaströsen Weihnachten erzählen und es als Grund vorschieben, keine Lust auf eine wilde Fete zu haben. Aber dann musste er damit rechnen, dass Isa ihn erst recht überreden wollte, es mit seinen Freunden krachen zu lassen. Als Ablenkung quasi.
„Was ist es dann?“
„Mein Freund.“
„Aber ich habe dir doch gesagt, du kannst ...“
„Lass mich ausreden“, unterbrach er sie. „Das geht alles nicht
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