Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
Vom Netzwerk:
– ganz im Ernst und unter Berücksichtigung all seiner bisherigen Erfahrungen - etwas anderes erwartet? Wieso eigentlich? Er hatte seine Lektion doch schon vor langer Zeit gelernt. Er konnte es niemandem recht machen. Auch Sascha nicht. Verstand der denn nicht, wie weh es Andreas tat, zugeben zu müssen, dass nicht einmal seine eigenen Eltern an Weihnachten mit ihm zusammen sein wollten? War das so verwunderlich?
    Andreas senkte den Kopf in dem Gefühl, dass ihm etwas Kostbares gestohlen worden war. Er hatte sich gefreut, als Sascha klingelte und sie sich in den Armen lagen. Er war glücklich gewesen. Jetzt fühlte er sich noch verlorener als zuvor und hatte das Bedürfnis, sich zu verteidigen.
    Hoffnungslos blickte er auf und betrachtete Saschas verkrampften Rücken.
    Was konnte er schon sagen? Was brachte es, sich zu erklären? Sie würden sich minutenlang im Kreis drehen und zu keinem Ergebnis kommen. Sie würden sich beide schlecht fühlen und Andreas würde geknickt in sein Zimmer schleichen, um sich dort zusammenzurollen und zu warten, bis er nicht mehr das Gefühl hatte, dass ihm jemand siedendes Öl in den Rachen gekippt hatte. Bis es nicht mehr brannte und seine Augen keine Anstalten mehr machten zu löschen.
    „Ich wollte dir nicht noch mehr Stress machen“, murmelte er lahm, als das Schweigen erdrückend wurde. „Ich wollte nicht, dass du dir auch noch Gedanken um mich machst.“
    „Verdammt, Andreas“, stöhnte Sascha und ließ die Stirn gegen das Glas sinken. „Was ist das denn für ein Schwachsinn? Glaubst du wirklich, mir geht es jetzt besser, wo ich es im Nachhinein herausgefunden habe? Glaubst du, ich finde es toll zu wissen, dass wir da drüben Full House hatten und du die ganze Zeit alleine warst? Und glaubst du, ich merke gerne, dass mein Freund nicht genug Zutrauen zu mir hat, um mir so etwas Wichtiges zu erzählen?“
    Dem hatte Andreas nichts entgegenzusetzen. Zumal er gar nicht wusste, was er mit diesen bitteren Fragen anfangen sollte.
    Fakt war, dass Sascha nicht glücklich war. Und zwar nicht, weil er sich von Andreas überfordert fühlte, sondern weil er mehr gefordert werden wollte. Diese Denkweise passte nicht in Andreas' Universum. Das widersprach allem, was er über den Umgang mit Menschen wusste.
    Mit einem Mal hatte er das Gefühl, etwas wieder gut machen zu müssen und das verwirrte ihn vollends. Er wusste auch nicht, ob er das konnte. Die Kraft dazu hatte. Die letzten Tage hatten ihn zermürbt und er hatte sich gewünscht, seine Akkus mit Sascha wieder aufladen zu können. Aber anscheinend musste er erst einmal die Missverständnisse aus dem Weg räumen, bevor er Gelegenheit dazu hatte. Und das, obwohl in seinem Brustkorb ein heißer Druck tobte, der es ihm unmöglich machte, anständig zu atmen.
    Andreas kam der Gedanke, dass er Sascha verlieren könnte. Nur für zwei oder drei Sekunden konnte er diese apokalyptische Vorstellung ertragen, bevor er sie gewaltsam in einen Tresor in seinem Geist stopfte und die Stahltür zuknallen ließ.
    Saschas Stimme erreichte ihn wie ein im Nebel verlorener Lichtstrahl: „Ich wäre lieber hier gewesen statt drüben. Ich verstehe dich nicht. Irgendwie sind diese Ferien bescheuert. Wir bekommen uns eh schon kaum zu Gesicht und dann sagst du mir nicht, dass du die ganze Zeit alleine bist. Das ist doch dämlich. Mann, du hast sturmfrei. Das wäre doch die perfekte Gelegenheit, um mal ... naja ... in Ruhe halt, oder?“
    Sturmfreie Bude. Die Worte zitterten durch Andreas' Hinterkopf wie eine Hochspannungsleitung bei Gewitter. Sie regten ihn im besten Sinne auf. Er schluckte, während er Saschas Bemerkung überdachte.
    Sie klang nicht nach Trennung oder Wutausbruch; eher nach Enttäuschung und vielleicht ein wenig nach der Sehnsucht, die Andreas selbst empfand. Darunter lag mehr. Eine finstere Schwingung, für die er in dieser Situation allerdings kaum eine Sensibilität besaß.
    Er wusste nur, dass Saschas Körperhaltung eine Saite in ihm zu klingen brachte. Eine Saite, die ein aufmunterndes Lied von gegenseitigen Bedürfnissen und Zweisamkeit sang.
    Ohne sich dessen bewusst zu sein, schob Andreas seine innerlichen Qualen beiseite und konzentrierte sich auf die Kernaussage von Saschas Worten. Er fand, dass sie sich zu selten sahen und zu wenig Zeit miteinander verbrachten. Er wollte es ausnutzen, dass Andreas' Eltern nicht daheim waren. Das war gut, richtig gut.
    Entschlossen, ein wenig von dem angerichteten Schaden wieder gut zu machen, stand

Weitere Kostenlose Bücher