Leben im Käfig (German Edition)
Sascha zurutschte.
Schüchtern streckte er die Hand aus, legte sie auf Saschas Bein und strich sacht darüber: „Ausgeschlafen? Wie geht es dir?“
„Wie es einem geht, wenn man feststellt, dass die eigene Mutter den Verstand verliert“, erwiderte Sascha vage. „Aber das meintest du nicht, richtig? Gut, es geht mir gut.“
„Wirklich?“ Andreas blinzelte scheu. „Dir tut nichts weh oder so?“
„Nein, alles Okay.“
Ein wenig verlegen griff Sascha nach der Hand auf seinem Oberschenkel und drückte sie. Seltsam. Sie waren sich sonst so nah, sich in dieser Nacht näher gekommen als je zuvor und doch war er plötzlich nervös.
Waren sie beide, wenn er das unruhige Flackern in Andreas' Gesicht richtig deutete. Wann würden sich diese Unsicherheiten verlieren? In ein paar Tagen, zwei Wochen oder doch erst in einem halben Jahr? Aber vielleicht gehörte diese Unsicherheit dazu. Und in Anbetracht der Tatsache, wie viel Druck von allen Seiten auf ihnen lastete, war es verständlich, dass sie manchmal nicht wussten, wo ihnen der Kopf stand.
Besonders, wenn er an die jüngsten Missverständnisse dachte.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als Andreas sich nach vorne beugte und ihn erst auf die Nase, dann auf den Mund küsste. Er schob seine Finger in Saschas Nacken und dieser gab dem Impuls nach, sich dagegen zu lehnen, Andreas den Kuss führen zu lassen.
Als sie sich voneinander trennten, fühlte Sascha sich besser, selbstsicherer. Das vertraute Gefühl ihrer Lippen, die sich gegeneinander drängten und öffneten, hatte ihr unsichtbares Band entwirrt. Böse Gemüter hätten schlicht behauptet, der Kuss hätte sein Blut gen Süden gepumpt und damit sein klares Denken deaktiviert, aber ganz so einfach war es nicht.
Natürlich reagierte er auf das Gefühl der Zungenspitze, die sich tastend in seinen Mund schob. Natürlich rief die streichelnde Hand in seinem Nacken angenehme Erinnerungen in ihm wach. Aber vor allen Dingen wusste er, dass zwischen ihnen alles in Ordnung war, wenn Andreas ihn auf diese Weise küsste und hinterher kurz das Gesicht an seinem rieb.
Der zärtliche Moment wurde rüde von Saschas laut knurrendem Magen unterbrochen. Lachend beugte Andreas sich herunter und drückte den Kopf gegen seinen Bauch.
Sein warmer Atem brachte die spärliche Behaarung in Aufruhr, als er murmelte: „Schon gut, Kleiner. Wir füttern dich ja schon.“
„Redest du mit mir oder meinem Magen?“, fragte Sascha belustigt.
„Mit deinem Magen natürlich. Der hat schließlich heute Nacht schon fürchterlich gelitten und protestiert.“
„Was? Nein. Ich habe ganz fest geschlafen. Davon habe ich nichts mitbekommen.“
„Ach ja?“, grinste Andreas zu ihm hoch. „Dafür hast du aber ganz schön gejammert, dass du Hunger hättest.
Zwischenzeitlich dachte ich, dass ich neben einem ausgehungerten Werwolf liege.“
„Ich habe nicht gejammert“, protestierte Sascha, während er mit den Fingern durch Andreas' lange Strähnen strich und sie glättete. Am Haaransatz waren sie feucht.
„Aber wie. Und zwar offensichtlich im Schlaf, wenn du nichts mehr davon weißt. Du redest im Schlaf, wusstest du das?“
„Unsinn. Tue ich nicht.“
Anscheinend war Andreas guter Laune, denn er zwickte Sascha in die Seite und fragte listig: „Woher willst du das wissen? Warst du dabei?“
„Nein, aber das wüsste ich doch.“
„Wer sollte es dir gesagt haben?“
Gute Frage. Niemand. Auf so engem Raum hatte er seit Jahren mit niemandem mehr geschlafen. So eng umschlungen, so fest aneinander gedrängt noch nie. Konnte es sein? Dass er selbst im Tiefschlaf seinem Hunger Ausdruck verlieh? Das war typisch für ihn. Andere Leute flüsterten Liebesschwüre oder den Namen des Mannes, von dem sie einen feuchten Traum hatten. Und was tat er? Schrie nach Futter. Er lachte in sich hinein.
„Aber wie dem auch sei ...“, Andreas löste sich von ihm und sprang auf, „wenn du keinen Hunger hast, denn gehe ich eben alleine frühstücken. Ich glaube, Ivana hat irgendetwas davon gesagt, dass sie Eier und Speck warm gestellt hat.“
„Mooo-ment mal!“
Sie brachen sich beinahe die Knochen bei dem Versuch, in dem engen Kellerflur und später auf der Treppe aneinander vorbei zu gekommen.
Einmal hielt Sascha Andreas hinten an der Hose fest, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Das nächste Mal war es anders herum und er wurde japsend gegen die Wand gepresst, während Andreas sich an ihm vorbei zwängte.
Dann wieder standen sie auf dem
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