Leben im Käfig (German Edition)
zuckte ein Nerv und seine Augen bewegten sich unter den geschlossenen Lidern. Er sah nicht glücklich aus, eher getrieben und verkrampft.
Das konnte niemand mit ansehen. Es war Ehrensache, dass man einen Freund aus seinen Albträumen befreite. Es wäre richtig, Andreas an die Schulter zu fassen oder ihn leise anzusprechen. Nicht brutal schütteln oder anschreien; ihn nur aus dem Irrgarten lotsen, indem sein Geist sich verfangen hatte. Kein Problem soweit, oder? Nur Sascha wollte Andreas nicht wecken. Er wollte ihn ausschlafen lassen.
Vorsichtig drehte er sich auf die Seite und sah Andreas an. So nah und doch unerreichbar. Sascha atmete langsam aus, sah dabei zu, wie die Furchen auf Andreas' Stirn tiefer wurden, und wollte darüber streichen, um sie zu glätten.
Zögernd streckte er die Hand aus. In einem Abstand von wenigen Zentimeter fuhr er über das im Traum angespannte Gesicht, fasste aber nicht zu. Stattdessen rutschte er wie magisch angezogen näher an Andreas heran. Noch gab es keinen Kontakt zwischen ihren Oberkörpern, aber er war nicht mehr fern.
Sein Verstand versuchte Argumente für oder gegen sein Handeln zu finden, aber plötzlich glaubte Sascha zu wissen, dass das hier eine Sache war, bei der er den Kopf außen vor lassen musste. Es war nichts dabei, wenn er einen Freund berührte. Am Ende waren sie beide schwul, oder? In dieser Richtung hatten sie sich nichts vorzuwerfen und es ging ja gar nicht um Sex. Es ging nur um einen Albtraum.
Fast erstaunt sah er dabei zu, wie sich seine Hand erst auf Andreas' Arm legte und dann langsam über seine Brust zu seiner gegenüberliegenden Schulter glitt. Erst, als er die Wärme des anderen Körpers an den empfindlichen Innenseiten seines Arms kitzeln spürte, hielt er inne. Behutsam strich er mit dem Daumen über die knochige Erhebung von Andreas' Schlüsselbein.
Das gleichmäßige Streicheln zeigte Wirkung. Nach wenigen Sekunden löste sich die Anspannung aus den Zügen des Freundes. Atemlos beobachtete Sascha, wie Andreas' Lippen weich wurden und Linien, die er vorher nicht bemerkt hatte, von seinem Hals verschwanden. Es sah nicht aus, als würde er in naher Zukunft aufwachen.
Bemüht, die Situation nicht zu zerstören, robbte Sascha näher. Genau wie zuvor an seinem Arm wurde es warm an seiner Brust und seinen Beinen, als er sich gegen Andreas schmiegte. Es fiel ihm schwer, sich zusammenzunehmen, wo doch alles, was ihm seit zwei Tagen durch den Kopf, spukte, so nah war.
Am Ende war es eindeutig Andreas' Schuld, dass er sich nicht länger bezähmen konnte. Es war nur ein kleines Geräusch; kaum wahrzunehmen, aber es jagte Sascha einen Kugelblitz durch die Wirbelsäule und in Richtung Gehirn, wo es einen Kurzschluss verursachte. Ein Laut zwischen Schnurren und Brummen; tief aus der Kehle und ein sicheres Zeichen, dass Andreas den Kontakt spürte und mochte.
Dazu kam eine Bewegung in Saschas Richtung; ein Drehen des Oberkörpers in die Umarmung und ein Heben des Brustkorbs in die reibenden Finger hinein.
Es war eine Zustimmung, die nicht ignoriert werden konnte. Saschas Bauch fühlte sich mit einem Mal an, als hätte er nach einem langen Spaziergang im winterlich verschneiten Wald zwei Gläser heißen Glühwein getrunken. Warm, weich und ein bisschen beschwipst.
Bevor er sich versah, brachte er seinen Kopf dicht an Andreas heran, spürte dessen Atem auf seinem Gesicht und beugte sich nach unten. Sanft streifte er die fremden Lippen; viel zärtlicher als er es je bei einem anderen Jungen getan hatte. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen, als seine Sinne sich auf Andreas einstimmten und alles andere außen vor ließen. Knabbernd setzte er nach und verstärkte den Kuss. Ihm gefiel, was er fühlte.
Eigentlich wollte er sich nach der kurzen Berührung zurückziehen. Dann jedoch spürte er die Bewegung, das leichte Entgegenkommen, das langsame Öffnen des Mundes unter ihm. Ihm fiel ein Stein von Herzen. Ein Geräusch schwebte durch den Raum, als er noch einmal nachsetzte und sich halb über Andreas lehnte. Verspielt ließ er die Zunge vorschnellen und streichelte die Unterlippe. Ganz glatt und weich.
Sascha schloss die Augen.
Zuerst erfolgte die Bewegung, dann kam der Schmerz und erst sehr langsam das Verstehen. Von einer Sekunde zur nächsten fuhr Andreas aus dem Schlaf hoch und setzte sich unerwartet auf, sodass seine Stirn gegen Saschas Kinn krachte. Bevor dieser sich versah, wurde er beiseite gestoßen, als sein Gastgeber die Flucht ergriff. Das
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