Leben im Käfig (German Edition)
stehen und würde damit sicher nie anfangen. Es war sein kleines Geheimnis. Doch den neuen Nachbarn zu einer Masturbationsvorlage zu machen, war gefährlich. Sehr gefährlich, denn Andreas fürchtete durch diese Entwicklung endgültig zu jemandem zu werden, vor dem man Angst haben musste. Zu jemandem, der die Grenze zwischen bemitleidenswerter Krankheit und Wahnsinn überschritten hatte und keinen Rückweg fand.
Zu einem Mann, der mit dem Fernglas am Fenster stand und darauf hoffte, dass sich im Nachbarhaus jemand auszog.
All diese Überlegungen konnten nicht verhehlen, dass er diese Fantasie wollte und brauchte. Deswegen erlaubte er es sich. Für eine Nacht, nur ein einziges Mal. Es war aufregend an jemanden zu denken, der real war. Sascha war mit Sicherheit nicht schwul, und wenn würde er sich für kein Wrack wie ihn interessieren, aber der Gedanke an seinen Körper, seine Hände, seinen Mund war Balsam auf Andreas' Wunden.
Er ließ sich Zeit, zögerte seine Lust heraus, obwohl es eine Qual war. Er zwang die Bilder seines Traums zurück in seinen Kopf und verlor sich in den Details, an die er sich erinnerte. Alles würde er geben, um es Wirklichkeit werden zu lassen. Die Küsse, die Berührungen, der geteilte Rausch. In seinen Gedanken kniete Sascha vor ihm im Flur und küsste seinen Bauch, glitt tiefer. Funkelte ihn von unten verheißungsvoll an, bevor er seine Hose öffnete.
Diese Vorstellung war zu viel für Andreas. Er warf die Bettdecke beiseite und unterdrückte jeden Laut, als er kam. Die vertraute Feuchtigkeit legte sich über seine Finger und brachte ein paar Sekunden erleichterten Friedens mit sich. Genug, um wieder in den Schlaf zu gleiten und auf neue Träume zu hoffen.
Kapitel 4
„Ich glaube, Andreas geht es schlechter“, störte Margarete von Winterfeld die Stille am Frühstückstisch. Ihre Bemerkung drang durch den Schutzwall der Tageszeitung ihres Mannes, erzielte jedoch keinerlei sichtbare Wirkung. Einzig der Löffel, der mit mechanischen Bewegungen seinen Kaffee umrührte, verharrte für eine Sekunde, bevor er seine Reise umso schneller wieder aufnahm.
Nach einer Minute beharrlichen Schweigens setzte sie zu einem neuen Versuch an: „Richard? Hast du gehört, was ich gesagt habe?“
„Hm?“ Die Zeitung sank ein paar Zentimeter herab. Der Blick des Hausherrn streifte den Teller seiner Frau, auf dem eine halbe Grapefruit geduldig darauf wartete, von ihr verzehrt zu werden. Ohne Zucker oder Süßstoff selbstverständlich. „Ist das alles, was du essen willst? Wir haben eine lange Konferenz vor uns. Nicht, dass dir wieder auf halber Strecke schwindelig wird.“
„Entschuldige mal bitte“, entrüstete sie sich. „Das ist mir nur ein Mal passiert und da war ich schwanger, wenn ich dich daran erinnern darf. Wie lange willst du mir das denn noch vorhalten?“
Darauf hatte er keine Antwort. Schwanger war für seine Begriffe das falsche Stichwort, denn von dort aus war der Weg zu ihrem gemeinsamen Sohn zu kurz. Er hätte es vorgezogen, die Essgewohnheiten seiner Angetrauten zu diskutieren.
Manchmal fragte er sich, von was sie lebte. Gemüsesäfte und leichte Salate allein konnten kaum einen gesunden Körper ernähren. An manchen Tagen hatte er Sorge, sie ohnmächtig hinter ihrem Schreibtisch vorzufinden. Was geschehen sollte, wenn sie einmal ernstlich erkrankte, durfte er sich nicht ausmalen. Der Gedanke war zu verstörend. Dafür waren sie schon viel zu lange ein Team.
Margarete richtete sich auf ihrem Stuhl auf und schlug die Beine übereinander. Stahl blitzte in ihren grauen Augen, als sie streng sagte: „Ich rede mit dir. Würdest du bitte mal die Zeitung beiseitelegen?“
Ein Seufzen unterdrückend gab Richard ihrem scharfen Unterton nach. In Momenten wie diesen zeigte sich, dass sie von klein auf dazu erzogen worden war, andere Menschen zu führen und ihren Kopf durchzusetzen.
Als Erbin des Konzerns war sie gut vorbereitet worden. Nur selten ließ sie ihn spüren, dass eigentlich sie diejenige war, die von Geburt her das Sagen in diesem Haus hatte. Aber wenn sie es tat – sich durchsetzte, klare Worte sprach, seine Aufmerksamkeit verlangte -, kam er nicht umhin, sich daran zu erinnern, dass er ein Emporkömmling war, der lediglich in die gute Familie eingeheiratet hatte. Dass er damals den Namen seiner Frau angenommen hatte, hatte ihm Ende der achtziger Jahre oft mitleidiges Lächeln eingebracht. Er war nicht gerne der Prinzgemahl .
Dieser Gedanke bereitete
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