Leben im Käfig (German Edition)
so einfach. Pass auf, mein Freund ist krank. Richtig krank.“
„Im Sinne von gefährlich krank?“ Isa klang betroffen.
„Nein, das nicht. Wir kommen damit gut klar, aber es ist eine ernste Sache, die man nicht mit ein paar Medikamenten in den Griff bekommt. Deswegen kann ich ihn nicht mitbringen. Aber okay, es ist ja nicht so, dass er von mir erwarten würde, dass ich dauernd bei ihm bin. Ganz im Gegenteil.
Aber das mit Silvester ist halt ganz böse schief gegangen. Ich wusste nicht, dass ihm Silvester irre wichtig ist und dass er Pläne für uns hat. Doch selbst das hätten wir hinbekommen. Irgendwie jedenfalls. Das Problem ist, dass er richtige Arschloch-Eltern hat, die schon vor einer Woche in den Urlaub gefahren sind und ihn allein gelassen haben. Er hat keine Geschwister oder keine anderen Verwandten, die Weihnachten vorbeigekommen wären. Er war die ganze Zeit alleine.“
„Das ist krass.“
„Wem sagst du das? Kannst du dir vorstellen, wie dreckig es ihm geht? Er hockt über die Feiertage alleine in der Villa seiner Eltern, bekommt keine Menschenseele zu Gesicht und dann komme ich daher und sage ihm, dass er Silvester auch alleine bleiben muss. Das kann ich nicht bringen.“
Auf Isabells Seite der Leitung klapperte ein Glas, bevor sie verwirrt fragte: „Sind seine Eltern denn nicht zurückgekommen, als er krank geworden ist?“
Bitter lachte Sascha auf: „Du verstehst das falsch. Das ist nichts Akutes. Andreas ist schon seit Jahren krank. Seine Alten wussten genau, was sie ihm antun und haben es trotzdem durchgezogen.“
„Sag mal, bindest du mir hier gerade einen Bären auf?“ Isabell klang erbost und entsetzt. „So abartig kann sich doch kein Mensch verhalten. Meine Mutter würde sich eher die linke Hand abschneiden, als einen von uns über Weihnachten krank daheim zu lassen.“
„Wem sagst du das? Ich wollte es auch nicht glauben. Aber die sind ausgeflogen. Ich war gestern bei ihm.“ Sascha tat es gut, jemandem von seinen Eindrücken zu erzählen. „Da ist diese schicke Villa, es stinkt nach Geld und nichts erinnert daran, dass Weihnachten ist. Kein Baum, keine Deko und die einzigen Geschenke, die ich gesehen habe, waren die, die Andreas für seine Eltern hatte. Totenstill. Und er hat mir am frühen Abend die Tür in Unterwäsche aufgemacht, weil er vermutlich während der ganzen Feiertage nicht aufgestanden ist. Das ist total schlecht für ihn, aber seine Eltern kennen da keine Gnade.“
„Denen würde ich an deiner Stelle den Arsch aufreißen“, entgegnete Isa trocken. Ehrliche Entrüstung schlug Sascha entgegen.
„Würde ich gerne, aber was dann? Dann verbieten sie mir, ihn zu sehen. Und er ist wieder allein. Du, ich kann dir nicht im Detail erzählen, was da alles schief läuft. Aber kannst du verstehen, dass ich ihn nicht alleine lassen kann?“
„Was? Ach so, ja, sicher. Kann ich“, gab sie zu. „Manno, wir hätten dich so gerne bei uns, aber der Preis wäre wohl ein bisschen arg hoch.“ Sie seufzte. „Soll jemand anders auflegen. Fühle dich hiermit offiziell von deinen Pflichten entbunden, aber hey, wenn du wieder Luft hast, gehst du mit uns weg. Und ich trinke den ganzen Abend lang auf deine Rechnung, weil ich mir jetzt überlegen muss, wie ich den anderen deine Abwesenheit erkläre.“
„Deal“, atmete Sascha erleichtert auf. Isa hatte viel Einfluss in ihrem Jahrgang und es würde ihr sicher gelingen, sich eine glaubhafte Ausrede einfallen zu lassen. „Danke, echt.“
„Schon gut. Komm gut rein, ja? Und gib deinem Freund einen Knutscher von mir. Scheint er brauchen zu können.“
„Von einer Frau? Ich weiß ja nicht“, grinste er.
„Depp, du weißt, wie ich es meine. Wir hören uns.“
„Bis bald. Feiert schön und trink ein Bier für mich mit.“
Erleichtert klappte Sascha das Handy zu und gönnte sich den Luxus, für einen Moment die Augen zu schließen.
Seltsam, wie sehr ihn dieses schlichte Telefonat angestrengt hatte. Dabei hatte Isa Verständnis gezeigt und sich eher über die von Winterfelds aufgeregt als über Saschas Absage. Dennoch schienen in diesen Tagen selbst Kleinigkeiten massiv an seinem Nervenkostüm zu zerren.
Der erste Schritt war gemacht. Jetzt musste er mit Andreas reden und sich entschuldigen. Es würde nicht leicht sein, zu ihm durchzudringen, aber Sascha war sich sicher, dass es ihm gelingen würde. In seiner Sehnsucht nach Harmonie merkte er nicht, dass in seiner verzweifelten Zuversicht naiv wurde. Sie mussten sich
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