Leben im Käfig (German Edition)
„Hörst du dir eigentlich noch zu? Dich loswerden wollen? Warum denn? Und wozu? Hast du eine Ahnung, wie schwer es ist, jemanden entmündigen zu lassen? Du sagst doch selbst, dass die Firma dein Erbe ist. Niemand kann dir etwas wegnehmen. Wie kommst du auf den Gedanken, dass ich darauf Einfluss nehmen will?
Und Andreas ... um Gottes Willen, Margarete, Andreas schafft es nicht einmal, die wichtigsten Arzttermine wahrzunehmen oder im Garten schwimmen zu gehen! Kannst du mir verraten, wie er eine Firma leiten will? Jetzt und hier? Irgendwann vielleicht, aber. ... tut mir leid, du bist verrückt.“
Als wären lediglich seine letzten Worte bei seiner Ehefrau angekommen, kreischte Margarete: „Siehst du, es geht schon los. Heute sagst du mir, dass ich verrückt bin. Morgen überzeugst du einen Psychiater davon. Ich kenne dich, Richard, oh, ich kenne dich und ich kenne meinen Sohn. Aber ihr werdet mich nicht an die Wand spielen. Und deswegen fahre ich jetzt mit meinem Chauffeur in meine Firma und kümmere mich um meine Geschäfte. Was du machst, ist mir egal. Geh doch wieder eine Nutte für deinen Sohn bestellen oder was Widerlinge wie du sonst für Hobbys haben.“
Zu spät realisierte Andreas, was die hektisch auf ihn zukommenden Schritte zu bedeuten hatten.
Als er begriff, dass seine Mutter auf dem Weg in den Flur war, krachte schon die Tür gegen seine Schläfe.
Die Wucht des Schlages war weniger schlimm als die Reaktion seiner Mutter, die ihn erst überrascht musterte und schließlich höhnisch ausspuckte: „Das kommt davon, wenn man lauscht. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen. Dein Vater hätte dich sicher detailliert in Kenntnis gesetzt. Viel Spaß beim Intrigieren. Ich habe zu arbeiten.“
Während sie an Andreas vorbeirauschte, nicht fragte, ob er sich wehgetan hatte, hörte er sie ein einzelnes Wort zischen: „Bastard.“
Er wusste nicht, ob sie ihn meinte oder seinen Vater.
Die Hand, die plötzlich auf seiner Schulter auftauchte, hielt Andreas nur mit knapper Not davon ab, in die Knie zu sinken. Er fühlte sich, als hätte er einen Tritt in den Unterleib erhalten. Einen Tritt mit zart türkisen Pfennigabsätzen eleganter Pumps. Einen Tritt aus einer Richtung, aus der er nicht damit gerechnet hatte.
„Was ...?“, flüsterte er hilflos und schluckte in dem Bemühen, das Brennen in seinen Augen einzudämmen.
Um Gottes willen, in ein paar Wochen wurde er zwanzig Jahre alt. Er heulte nicht wie ein Kind, nur weil seine Eltern sich stritten. Dumm nur, dass sie ihren Streit nicht auf sich selbst beschränkt hatten.
„Ich weiß es nicht“, beantworte sein Vater die unausgesprochene Frage. Als Andreas sich umsah, stellte er fest, dass Richard Gesicht kalkweiß war. „Sie ist einfach nicht mehr sie selbst. Sie sagen, sie sei körperlich gesund. Nur überarbeitet. Aber das ist doch nicht normal. Sie ist ... paranoid, glaube ich. Und es wird mit jedem Tag schlimmer. Sie hat vorhin ihren Assistenten gefeuert. Grundlos. Ich werde nicht wiederholen, als was sie ihn beschimpft hat.“
„Hat der Urlaub denn nicht geholfen?“, fragte Andreas naiv.
„Offenbar nicht, hm?“
Selten hatte er seinen Vater so klein gesehen. So verzagt und hilflos. Einzig nach schwierigen Wochenenden mit dem Großvater hatte Andreas erlebt, dass die Fassade von Richard Risse bekam.
Der Hausherr sah alt als, als er seinem Sohn linkisch auf die Schulter klopfte: „Ich werde hinterher fahren. Wer weiß, was sie sonst anrichtet. Ich bin es leid, heulende Sekretärinnen aus der Kaffeeküche zu pflücken. Und du ...“, er zögerte, „mach dir irgendwie einen schönen Abend, ja?“
Zu Stein erstarrt sah Andreas seinem Vater hinterher, als dieser seinen Wohlstandsbauch vorschiebend in Richtung Haustür marschierte.
Das Kind in ihm wollte rufen: „Papa, geh doch nicht weg. Lass mich nicht alleine. Ich verstehe das alles nicht.“
Aber er war es aus dem Alter heraus, in dem er erwarten durfte, dass seine Eltern ihm die Welt erklärten. Besonders, wenn nicht zu übersehen war, dass sie überfordert waren und kaum wussten, wo ihnen der Kopf stand.
Sein Hunger war vergessen, als er langsam in sein Zimmer schlurfte.
Die bösen Worte seiner Mutter hallten in seinen Ohren wider und machten ihm auf vielfältige Weise Angst.
Angst, dass sie ihn hasste. Angst, dass ihr nur rudimentär vorhandenes Familienleben endgültig zerbrach. Angst, dass seine Mama den Verstand verlor oder einen Tumor im Gehirn hatte, der ihr Verhalten
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