Leben im Käfig (German Edition)
meine Eltern.“
„Wissen sie das auch?“, gab Sascha sarkastisch zurück. Ein schwer zu deutender Ausdruck flackerte über die Züge seines Freundes und ließ ihn rasch zurückrudern: „Entschuldige. So war es nicht gemeint. Nur ... ich hasse es, wenn sie darüber hinweggehen, dass du krank bist. Das ist nicht fair von ihnen.“
„Aber sie werden sich nicht ändern“, wisperte Andreas tonlos. „Und müssen wir darüber reden? Hast du nicht irgendetwas Lustiges aus der Schule zu erzählen? Der Tag war eh schon nicht so toll. Muntere mich ein bisschen auf, ja?“
Im ersten Augenblick wollte Sascha ablehnen und darauf bestehen, dass sie sich über Andreas' Familiensituation unterhielten. Doch dann wich er innerlich von dieser Idee zurück. Aufmuntern. Es war der erste Wunsch, den Andreas an ihn richtete, wenn er sich nicht irrte.
Zumindest der erste, der nicht „Hm ... küss mich“ oder „Fass fester zu“ lautete. Das erste Mal, dass Andreas signalisierte, was er sich von ihm erhoffte. Ganz im Sinne seines Neujahrsvorsatzes.
Das war gut, oder? Ein Schritt in die richtige Richtung.
„Ich gebe mir Mühe“, gab Sascha nach. „Aber ich muss dich noch etwas fragen. Hast du für Samstag etwas geplant?“
Fragend legte Andreas den Kopf schief: „Nein. Warum?“
„Weil ich auf eine Party eingeladen worden bin. Ich wollte nicht wieder etwas über deinen Kopf hinweg machen und ... hmpf.“
Auf einmal lag ein eifriger Mund auf Saschas Lippen, während eine Hand ihn unerbittlich nach unten zog. Verschmust küsste Andreas ihn wieder und wieder, streichelte seinen Hinterkopf und zog ihn enger an sich heran. Seine Beine fanden ihren Weg um Saschas Schenkel, zwangen sie, sich eine neue Position auf der Matratze zu suchen. Unaufhaltsam wanderte Andreas mit Zunge, Zähnen und Lippen über Saschas Mund, Wangen und Hals.
Zwischendurch flüsterte er: „Danke, dass du fragst ... du bist so süß ... ich bin so froh, dass ich dich habe ... und sag zu ... ich will nicht, dass du wegen mir jede Party auslässt ... es ist so lieb, dass du fragst ...“
Erleichtert ließ Sascha sich auf die enger werdende Umarmung ein. Wurde Haut, Wärme, Nähe, Zärtlichkeit, während sie miteinander kuschelten. Seine Überlegungen aus der Schule bezüglich seiner Zukunft verschob er auf den späteren Nachmittag. Erst einmal eine Runde entspannen und dann konnten sie weitersehen.
Kapitel 42
Drei Tage später trabte Andreas stets zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinunter auf der Jagd nach etwas Essbarem.
Es war später Nachmittag. Sein Unterricht hatte an diesem Tag mehr Zeit als sonst in Anspruch genommen, da Dr. Schnieder seine gute Verfassung nutzen wollte, um im Lehrstoff voranzukommen. Demzufolge hatte Andreas das Mittagessen ausfallen lassen und sich hingelegt, nachdem er wieder in seinem Zimmer war. Anderen Menschen mochte es eigenartig erscheinen, aber fünf Stunden am Stück zu lernen, war für ihn anstrengend und verlangte ihm einiges an Kraft ab.
Dennoch fühlte er sich den Umständen entsprechend gut. Es war angenehm, zur Abwechslung einmal zu hören zu bekommen, dass er die Erwartungen übertraf, statt sie gnadenlos zu unterbieten.
Dem Abend sah Andreas mit gemischten Gefühlen entgegen. Zwar verlangte das Chaos in seinem Zimmer nach Ordnung und es warteten zwei spannende Bücher über südamerikanische Ausgrabungsstätten auf ihn, aber er hätte die freie Zeit lieber mit Sascha verbracht. Doch sein Freund hatte seinen eigenen Berg an Hausaufgaben oder viel mehr Abiturvorbereitungen zu bewältigen und brauchte schließlich auch ab und an einen Abend für sich allein.
Andreas dachte gerade darüber nach, sich eine Packung Paradiescreme anzurühren und sie direkt aus dem Rührbecher zu trinken, als ihn Stimmen aus dem Wohnzimmer innehalten ließen.
Verwundert runzelte er die Stirn und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Fünf Uhr durch. Zu früh, als dass seine Eltern zuhause sein konnten. Und doch hörte er sie laut und aufgeregt miteinander sprechen.
Ungeachtet der Beteuerungen seines Vaters hatte Andreas seine Sorgen bezüglich seiner Mutter nicht vergessen können. Dass etwas nicht in Ordnung war, wusste er. Auch auf die Gefahr hin, als hysterisch abgestempelt zu werden, konnte er spüren, dass etwas in der Luft lag.
Ärger, Krankheit, Stress, schwarze Wolken an einem grauen Horizont.
Es machte ihn nervös, dass man ihn nicht ins Vertrauen zog. Nachts jagte ihn die Angst, dass man ihn
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