Leben im Käfig (German Edition)
erfahren und zu erzählen gab, dann war klar, was gespielt wurde. Ein reicher Sohn blieb ein reicher Sohn; Dachschaden oder nicht.
Innerhalb kürzester Zeit war Andreas in der Sicherheit des Hauses. Eigentlich wollte er nur für eine Minute im Bad verschwinden und nach einiger Zeit noch einmal hinausgehen – er hatte sein Soll noch nicht erfüllt. Doch als er wieder in Richtung Terrasse ging, stellte er fest, dass Yasmin ganz in der Nähe der Schiebetür stand und lauerte. Das konnte kein Zufall sein.
Andreas entschied, dass er für den heutigen Tag genug guten Willen bewiesen hatte und verschwand in seinem Zimmer. Die Tür schloss er sicherheitshalber hinter sich ab.
* * *
Mitten in der Nacht erwachte er. Es dauerte eine Weile, bis er merkte, dass ihn weder der noch laufende Fernseher noch das Licht auf seinem Nachttisch geweckt hatten. Es war viel mehr ein Streit, der auf dem Flur vor seinem Zimmer stattfand.
Die Digitalanzeige des DVD-Players leuchte ihm entgegen. Viertel vor drei. Anscheinend war die Party noch recht lange gegangen. Dass er trotz des Krachs und der Musik hatte schlafen können, hatte er dem Lorazepam zu verdanken. Oder auch der Tatsache, dass er in der letzten Woche nachts kaum Ruhe gefunden hatte.
Schritte. Flüstern. Anschließend das Schlagen der Tür zum Arbeitszimmer seines Vaters. Wieder erhobene Stimmen. Sein Name?
Neugierig geworden stand Andreas auf und glitt leise zu seiner Zimmertür. Er öffnete sie vorsichtig einen Spaltbreit und lauschte in den Flur hinein. Ein Brei aus wütenden Worten drang an sein Ohr. Noch konnte er nichts verstehen. Es war selten, dass seine Eltern sich heftig stritten. Ob auf der Party etwas vorgefallen war? Oder hatte seine Mutter seinem Vater erzählt, dass er unter dem Einfluss von Medikamenten unten erschienen war?
Richard war davon bestimmt nicht begeistert. Er lehnte Medikamente in allen Lebenslagen und bei allen Krankheiten ab, nahm selbst nur im schlimmsten Notfall etwas ein, wenn ein Meeting aufgrund einer Grippe oder Übelkeit zu platzen drohte.
Andreas trat auf den Flur hinaus. Er wusste, wo er hintreten musste, damit die alten Dielen unter dem Teppich nicht knarrten. Endlich konnte er etwas verstehen.
„… diese Frau nicht! Sie stand nicht auf der Gästeliste. Ich bin deine Heimlichtuerei so leid. Sag mir endlich, wer sie war.“
„Du kannst es dir doch denken. Du wärst nicht so wütend, wenn du es dir nicht schon ausgerechnet hättest. Was erwartest du jetzt von mir noch?“ Sein Vater klang im Gegensatz zu seiner Mutter fast ruhig.
„Die Wahrheit! Obwohl ... nein, ich glaube, ich möchte die Wahrheit gar nicht hören. Ich kann das nicht glauben, Richard. Wie konntest du das tun?“ Margaretes Stimme überschlug sich vor Ärger und Entsetzen.
„Was denn tun?“
„Eine Nutte ins Haus holen natürlich! Hältst du mich für bescheuert? Ich habe doch gesehen, wie sich dieses Flittchen an meinen Sohn herangeworfen hat. Ich verlange eine Erklärung von dir.“
„Er ist unser Sohn, nicht deiner“, brummte es nach kurzer Pause aus dem Arbeitszimmer. „Und Yasmin ist keine Prostituierte, sondern eine Escort-Dame.“
„Das ist doch dasselbe, verdammt noch mal, und außerdem ...“, fauchte sie aufgebracht.
„Margarete, reiß dich mal zusammen“, unterbrach ihr Mann sie streng. „Du bist zu laut. Und jetzt hör mir mal gut zu. Der Junge ist neunzehn Jahre alt. Er hat seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehr zu Gleichaltrigen, geschweige denn zu Frauen. Er hat in keiner Hinsicht Erfahrung. Ich kann mich gut erinnern, wie es mir in diesem Alter ging. Ein bisschen Ablenkung und Spaß würden ihm sicher gut tun. Was spricht also dagegen, dass ich ein nettes Mädchen gebeten habe, sich ein bisschen mit ihm zu beschäftigen?“
Margarete lachte bissig auf: „Was dagegen spricht? Die Kleinigkeit, dass du das nette Mädchen dafür bezahlt hast, dass sie mit Andreas ins Bett geht.“
„Das habe ich nicht getan. Das ist bei beidseitiger Sympathie eine Option, aber kein Muss bei einer Escort-Dame.“
„Du kennst dich ja bestens aus. Ich bin begeistert“, schoss sie sarkastisch zurück. „Falls es dich nicht aufgefallen ist: Andreas hat ganz andere Sorgen als die Frage, wann er das erste Mal mit jemandem schläft, schäkert oder was auch immer.“
„Ach ja?“ Nun wurde auch Richard merklich lauter. „Glaubst du, ich habe mir dabei nichts gedacht? Du warst es doch, die festgestellt hat, dass sich an seiner Situation nichts
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