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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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mich?“
    Andreas wusste nicht, warum. Er konnte ihr den Wunsch nicht abschlagen. Er sollte es tun, ihr sagen, was er von ihrem plötzlichen Aktionismus hielt. Auf einmal war ihm auch klar, warum sie allein zu ihm gekommen war: Wäre sein Vater dabei gewesen, hätte sie ihn nicht so leicht manipulieren können. Sie trickste ihn aus, Andreas wusste es und er hatte ihr dennoch nichts entgegenzusetzen.
     
    Kapitel 9  
     
    Andreas hatte keine Angst mehr.
    Eine Woche lang hatte er nicht richtig geschlafen, war zitternd aus Albträumen erwacht und tagsüber zum Zerspringen nervös gewesen. Es hatte ihn Kräfte gekostet, die er gar nicht hatte. Jetzt war es vorbei.
    Dabei waren draußen die letzten Vorbereitungen im Gange und das Haus summte vor Betriebsamkeit. Fremde Köche und Kellner hatten am frühen Morgen die Küche übernommen. Seitdem schwebten Rufe und köstliche Gerüche durch die Villa, während auf dem Rasen Pavillons, Tische und Sitzgelegenheiten aufgebaut wurden.
    Lichterketten fanden ihren Platz in jedem Busch und Baum sowie an der Fassade des Hauses. Auf dem Pool schwammen handtellergroße Wachsinseln mit Kerzendocht, die am Abend entzündet werden würden. Auf der Terrasse baute eine kleine Big Band ihre Instrumente auf und erkundigte sich nach den Musikwünschen der Gastgeber.
    Die von Winterfelds hatten keine Kosten und Mühen gescheut. Immerhin mussten sie dem Prunk des ursprünglichen Veranstaltungsorts etwas entgegensetzen, damit ihre Geschäftspartner nicht die Nase rümpften. Positive Publicity war wichtig, wenn man sein Geld überall investierte, in sämtlichen wirtschaftlichen Töpfen rührte und ein Interesse daran hatte, dass es dabei blieb.
    Andreas lehnte träge am Fenster und beobachtete aus halb geschlossenen Augen das muntere Treiben. In ein paar Minuten würden die ersten Gäste kommen. Er hatte dem Flehen seiner Mutter nachgegeben, sich geduscht, ordentlich rasiert und umgezogen. Das schwarze Seidenhemd passte zum Anlass, die ausgewaschenen, blauen Jeans weniger. Mit den im Nacken zusammengebundenen, glatten Haaren sah er gut aus, solange man ihm nicht zu genau in den Augen sah. Seine Pupillen reagierten zu langsam, die Lider waren schwer. Vermutlich sah jeder ihm an, dass er auf einem Trip war. Nur würden die wenigsten erkennen – oder wissen wollen -, dass die eingeworfene Droge Lorazepam hieß und nicht Ecstasy. Nichts war unwichtiger für ihn. Seine Eltern wollten, dass er nach unten ging, also mussten sie auch damit leben, dass man ihn komisch anschauen würde. Ohne chemische Hilfe ging es nicht. Das hatte sich von Anfang an abgezeichnet.
    Müde drängte Andreas sich enger an die Wand, während sein Blick automatisch in den Nachbargarten glitt. Er lächelte schief, als er Sascha draußen auf der Terrasse sah; faul auf dem Bauch liegend in ein Buch vertieft. Sie hatten seit der ersten am Rechner verbrachten Nacht nicht mehr zusammengespielt, nicht mehr miteinander geredet. Andreas war nicht online gegangen. Er hätte den folgenden Abend dennoch sehr viel lieber mit Sascha verbracht als mit den illustren Gästen und seinen Eltern. Seine Empfindungen für Sascha waren immer noch falsch und der einsame Wolf in Andreas war immer noch enttäuscht, aber das Lorazepam sorgte dafür, dass er sich recht gut fühlte und er Saschas Anblick genießen konnte.
    Ein oder zwei Stunden, mehr hatte er nicht. Dann würde die Wirkung nachlassen. Die Möglichkeit, nach Ablauf der Zeit eine zweite Tablette zu nehmen, gestattete er sich nicht. Andreas hatte dieses Experiment noch nie gewagt und würde heute nicht damit anfangen. Vermutlich würde er stehenden Fußes einschlafen und in den Pool fallen, wenn er mehr als die normale Dosis schluckte. Das wäre zumindest ein lustiger Programmpunkt an einem gähnend langweiligen Abend.
    Gelächter übertönt von der überzogen einladenden Stimme seines Vaters drang aus dem Flur zu ihm hoch. Es ging los. Andreas wollte nicht ganz zu Anfang in den Garten gehen, sondern lieber warten, bis sich die ersten Gruppen gebildet hatten und er nicht mehr im Fokus der Neuankömmlinge stand. Angst hin oder her; Lust, sich mit einem Rudel fremder Menschen auseinanderzusetzen, hatte er nicht. Apropos Angst
     
    Er schloss die müden Augen und genoss ein paar Atemzüge lang den seltenen, inneren Frieden. Es fühlte sich jedes Mal großartig an, wenn das starke Medikament ihn für ein paar Stunden daran erinnerte, was normal war. Es war ein kostbares Geschenk, aber

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