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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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und all dies selbst erzählen werde. Falls nicht, spürst du hoffentlich, dass ich immer bei dir bin. Tut mir leid, dass das kitschig klingt. Du wirst es verstehen, wenn du eines Tages Kinder hast.
    Als wir am Tag meines dreizehnten Geburtstags von Atlantic City nach Brooklyn zurückkamen, hatte deine Grandma für Arthur und mich ein besonders schönes Abendessen gemacht. Arthur hatte gerade beim Ballsport ein Spiel verloren und keinem von uns war sonderlich nach Feiern zumute. Ich fragte meinen Vater – deinen Großvater -, ob tatsächlich jemand einem anderen die Zukunft
vorhersagen kann. Er sagte: Die Zukunft verändert sich jeden Tag. Er sagte, wir, niemand sonst, hätten die Fähigkeit, unser Leben zu gestalten. Dann erzählte er mir eine alte Volkssage, die ich ihn anschließend aufzuschreiben bat. Nun gebe ich sie an dich weiter.
     
    Ein alter Mann will seinen Enkel etwas über das Leben lehren. »In mir tobt ein Kampf«, sagte er zu dem Jungen. »Es ist ein schrecklicher Kampf und er wird zwischen zwei Wölfen ausgetragen. Der eine Wolf ist böse. Er besteht aus Zorn, Neid, Kummer, Reue, Gier, Überheblichkeit, Selbstmitleid, Schuldgefühl, Missgunst, Minderwertigkeitsgefühl, Lügen, falschem Stolz, Anmaßung und Selbstverliebtheit. Der andere Wolf ist gut. Er besteht aus Freude, Frieden, Liebe, Hoffnung, Fröhlichkeit, Bescheidenheit, Güte, Mildtätigkeit, Einfühlungsvermögen, Großzügigkeit, Aufrichtigkeit, Mitleid und Glauben. Dieser Kampf tobt auch in dir – und in jedem anderen Menschen.«
    Der Enkel dachte einen Augenblick darüber nach und fragte dann seinen Großvater: »Welcher Wolf wird gewinnen?« Der alte Mann erwiderte schlicht: »Der, den du nährst.«
     
    Bereits im Kindesalter haben wir die Fähigkeit, unser Leben selbst zu gestalten. Wir entscheiden, welchen Wolf wir nähren, und das schafft die Grundlage dafür, was wir werden, wie wir die Welt sehen und was wir mit der kurzen Zeit anfangen, die uns zugewiesen ist. Seit meinem dreizehnten Geburtstag bin ich im Grunde mit einer Frist aufgewachsen, die drohend über mir schwebte. Ich dachte, was ist, wenn die Frau recht hatte? Wenn ich nur vierzig Jahre habe, wie oft werde ich dann noch Schokoladenkuchen essen können? (SEHR OFT, wie sich herausstellte.) Wie oft noch werde ich einen Sonnenaufgang an einem Strand sehen? Viermal, fünfmal? Wie oft noch werde ich Jazz hören? Zehnmal? Hundertmal? Wie
oft noch werde ich meinen Sohn zum Gute-Nacht-Sagen in die Arme nehmen?
    Ich achtete also darauf, alles, was ich tat, aufmerksam zu tun. Voll im gegenwärtigen Augenblick zu leben. Denn nichts anderes ist das Leben eigentlich, eine Kette von Augenblicken, die du miteinander verknüpfst und mit dir herumträgst. Du hoffst, dass die meisten dieser Augenblicke wunderschön sein werden, aber natürlich sind es nicht alle. Der Trick besteht darin, einen wichtigen Augenblick zu erkennen, wenn er sich ereignet. Und selbst wenn du den Augenblick mit jemandem teilst, gehört er immer noch dir. Deine Kette ist anders als alle anderen. Sie ist etwas, das dir niemand je wird nehmen können. Sie wird dich beschützen und leiten, weil sie EINS ist mit dir. Was du da in deiner Hand hältst, in dieser Kassette, das ist meine Kette.
    Bis vor Kurzem dachte ich, es ist der Tod, der dem Leben Sinn gibt – dass das Wissen um ein Ende uns anspornt, das Leben zu nutzen, solange wir es haben. Aber ich habe mich geirrt. Nicht der Tod gibt dem Leben Sinn. Das Leben gibt dem Leben Sinn. Die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens liegt in der Frage selbst. Worauf es ankommt, ist, dass wir an dieser Kette festhalten und uns von niemandem einreden lassen, unsere Ziele seien nicht bedeutend genug oder unsere Interessen seien unsinnig. Allerdings sind die Meinungen der anderen nicht das Einzige, worum wir uns Gedanken machen müssen. Wir neigen dazu, selbst unsere schärfsten Kritiker zu sein. Ralph Waldo Emerson schrieb: »Die meisten Schatten im Leben rühren daher, dass wir uns selbst in der Sonne stehen.« Dieses Zitat habe ich auf einem Stück Papier gefunden, das hinten auf der Großvateruhr vom Sperrmüll klebte. (Ich wüsste ja gern, ob deine Mutter sich endlich von diesem Ding getrennt hat, wie sie schon immer gedroht hat!) Weisheit findet man an den unerwartetsten Orten. Halt immer die Augen offen. Steh dir nicht selbst in der Sonne. Sei von Neugier und Staunen erfüllt.
Ich weiß, es war nicht leicht für dich, diese Kassette zu öffnen. (Frag mich

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